Eigentlich war ich von Black Mass ja ziemlich angetan und hatte mich richtig darauf gefreut, mal wieder einen Film, abgesehen von kleinen Makeln, wirklich gut zu finden, aber je länger ich über ihn nachdenke, umso mehr verliert er an Wirkung und es macht sich Ernüchterung breit. Leider kann auch die Tatsache, dass Johnny Depp hier zum ersten Mal seit knapp 10 Jahren endlich wieder schauspielerisch ernsthaft überzeugt, nur bedingt über eine viel zu dünne Story hinwegtrösten, die die reale Vorlage nur in Ansetzen anschneidet.

Regisseur Scott Cooper zeichnet hier nach dem Buch „Black Mass: The True Story of an Unholy Alliance Between the FBI and the Irish Mob“ den kriminellen Werdegang von James Bulger, welcher im Boston der 70er und 80er Jahre vom kleinen Bandenführer zum Unterweltboss aufsteigen konnte. Dies gelang ihm vor allem durch die Unterstützung seines Kindheitsfreundes und FBI-Agent John Conolly (Joel Edgerton), der Bulger zunächst als Informanten gewinnen möchte, doch dann schnell dem Reiz des Verbrechens erliegt.

Was „Black Mass“ zu jeder Zeit gelingt, ist eine dauerhaft bedrohliche Atmosphäre zu erzeugen. Depps Bulger wirkt in jeder Szene unberechenbar und einschüchternd und auch was die Gewaltdarstellung angeht hält man fast schon unangenehm lang drauf statt abzublenden, was dem Film einiges an Härte und Authentizität verleiht.

Blöderweise wird dabei vergessen eine Nachvollziehbare Geschichte zu erzählen. In Rückblenden werden immer wieder einzelne Episoden aus Bulgers Werdegang ohne jeglichen roten Faden erzählt und irgendwann wirkt das Konzept Deal, Mord, Repeat doch sehr ermüdend.

Dabei hätte man durchaus genügend Eisen im Feuer um erzählerisch dichter zu sein und seine Darsteller nicht nur kurz am Rand zu verheizen. So wird das Privat- und Familienleben zwar angerissen, doch nie zu einem befriedigendem, oder gar die Motive des Protagonisten erklärendem Ende geführt.

Allgemein wirkt der ganze Film fast wie eine One-Man-Show, da abgesehen von Conolly keiner Nebenfigur eine große Bedeutung beigemessen wird. Es ist schade, dass man Leute wie Benedict Cumberbatch als jüngerem Bulger Bruder und US-Senator (bestimmt keine Kombi mit dem wenigsten Zündstoff) oder Kevin Bacon einfach im Hintergrund dümpeln lässt. Zumindest „Breaking Bad“-Fans können sich aber über ein Wiedersehn mit „Meth Damon“ Jesse Plemons freuen, der als Haudrauf und Handlanger Kevin zwar nicht allzu viel zu sagen hat, aber zumindest sein Gesicht verhältnismäßig oft neben Depp in die Kamera halten darf.

Trotzdem ist Black Mass alles andere, als ein schlechter Film. Mal abgesehen vom schwachen Script leistet man in allen anderen Bereichen gute bis sehr gute Arbeit. Nur das Makeup ist etwas übertrieben und es ist schon etwas bezeichnend, wenn ausgerechnet „Everyday is Halloween“-Johnny ausgerechnet in einem Biopic die gruseligste Maskerade seiner Karriere bekommt. Dafür wirken die Effekte angenehm markig und handgemacht. Hinter der Kamera läuft ebenfalls alle glatt und in Verbindung mit einer überwiegend kalten Farbwahl gelingt es beklemmende Bilder eines trostlosen Bostons in Verbrecherhand zu erzeugen.

Fazit

Es hätte nur eine spannende Geschichte gefehlt, um Black Mass zu einem echt großartigen Vertreter des Crime Thrillers werden zu lassen. So bleibt ein solider Genrefilm, der den biografischen Ansatz leider nur stiefmütterlich behandelt und seine Vorlage eher als Bühne für seinen Hauptdarsteller nutzt. Wer eine Vorliebe für Gangsterbosse und eine gewisse Gewalttoleranz mitbringt, kann sich getrost eine Karte lösen und alle Depp-Fans freuen sich über die beste Performance seit langem.

(Vielen Dank an Nicky Ramone)

 

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Unfriend

4. Januar 2016 0
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