Christine Chubbucks Selbstmord: Tausende Menschen haben damals am 15. Juli 1974 live On-Air den Suizid der Fernsehreporterin mit ansehen müssen. Ihre Geschichte ist symbolisch für so viele Dinge, mit denen wir uns gerade als Gesellschaft auseinandersetzen. Der Film Christine bittet uns hinzusehen und nachzudenken.

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Geschichte

Christine ist immer die klügste Person im Raum eines kleinen Nachrichtensenders, ist unermüdlich in ihrem Streben nach einer höheren Position. Als aufstrebende Newsreporterin mit einem Auge für Feinheiten und ein Interesse an sozialer Gerechtigkeit eckt sie immer wieder mit ihrem Boss an, der seinen Sender und die Einschaltquote durch reißerische Geschichten, saftige Berichte und hetzerische Neuigkeiten nach oben befördern will. Christine ist geplagt von Selbstzweifeln und einem turbulenten häuslichen Leben in einer Welt, in der die Männer das Sagen und Frauen sich unterzuordnen haben.

Christines seriöse Marke von themenbasiertem Journalismus trifft leider nicht den Geschmack des Zuschauers. Um ihre Ziele zu erreichen, muss sie ihre Selbstzweifel überwinden und den Menschen geben, was sie wollen. Christines Gemütszustand scheint sich in eine positive Richtung zu drehen, als ihr On-Air-Kollege erst eine Freundschaft initiiert, dann aber letztendlich zu einer weiteren unerwiderten Liebe wird und somit auch Christine erneut in ein Loch von Depression fällt. Desillusioniert, als ihre Welt um sie herum sie zu erdrücken erscheint, nimmt Christine eine dunkle Wendung.

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„In keeping with Channel 40’s policy of bringing you the latest in blood and guts, and in living color, you are going to see another first – attempted suicide.“

„Übereinstimmend mit der Tradition von Channel 40, Ihnen die aktuellen Blut- und Ekelneuigkeiten live und in Farbe zu bringen, sehen Sie nun eine weitere, einen versuchten Suizid.“

– Christine Chubbuck: TV-Sendung Suncoast Digest vom 15. Juli 1974

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Kritik

Wie wird ein Film, der voller Sensationslust ist, in Szene gesetzt, ohne genau dies zu sein?

Rebecca Hall spielt die Rolle als Christine sehr authentisch. Schauspielerisch ist die Leistung astrein: Die  aufstrebende TV-Journalistin vermittelt dem Zuschauer den Ehrgeiz der Person Christine, zudem lernt man im Laufe des Films die Charakteristik von Christine gut kennen. Man spürt, wie Christines soziale Gerechtigkeit immer wieder hervor tritt und auch die damit verbundenen Probleme, denn zum Beispiel legt sie sich immer wieder mit ihrem Boss an, der nur auf Sensationsstorys aus ist, um das konsumierende Publikum vor den Fernseher zu fesseln und die Quoten nach oben zu treiben. Auch privat geht bei Christine viel schief, was einem als Beobachter auch viel Mitleid mit Christine vermittelt. Sie wohnt bei ihrer Mutter, die mittlerweile einen neuen Mann kennenlernte und fühlt sich Zwischenmenschlich benachteiligt. Christine ist unfähig über ihre innere Zerrissenheit zu reden, am Rande bekommt man auch mit, dass sie mal in einer psychischen Einrichtung war, aber ihr Problem mit ihrem Umfeld und vielleicht auch der Menschheit, macht sie mit sich selbst aus. Als Christine Hoffnung schöpfte, sich ihrem Kollegen (Michael C. Hall) und hoffentlich-bald-Freund langsam versuchte zu öffnen, bekam sie einen großen Dämpfer, da dieser nur auf seine eigene Karriere aus war und bei einem Jobwechsel eine andere weibliche Kollegin bevorzugte und mit auf die Reise nahm. Natürlich lässt sich an der Stelle einiges reininterpretieren und auch Christines psychische Verfassung analysieren, bis hin zur Tat des Suizid, aber ich denke, dass genau dies der Film bezwecken wollte:

Man soll hinsehen, zuhören, Fehler finden, analysieren, die Kleinigkeiten beachten, dennoch bleibt das Fazit unvermeidbar. Wäre das Drama damals aufhaltbar gewesen? Vielleicht, Liegt es an der sensationsgeilen Medienwelt und deren Konsumenten? Sicherlich trägt es einen Teil dazu bei. Oder war es doch das soziale Umfeld, ein Zwischenspiel aus Arbeits- und Sozialleben? Möglich.

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Christine_DVD

© Universum Spielfilm

 

 

Label: Universum Spielfilm
VÖ: 20.04.2018
FSK: Ab 16 Jahren freigegeben
Laufzeit: ca. 105 Min.
Bildformat:  1,85:1 (16:9 anamorph)
Tonformat: DD 5.1
Sprachen: Deutsch
Anzahl Discs: 1

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Fazit

Wir sind sicherlich keine Psychologen, dennoch werden wir beim Schauen des Films wissen, was dieser uns erzählen und näher bringen soll. Christine war eine stark depressive Frau. Ihre Tat, sich live im Fernsehen zu erschießen war sicherlich noch eine persönliche Botschaft: Hier habt Ihr Euren sensationsgeilen Inhalt und Eure Einschaltquoten! Es gibt eine endlose, kreisförmige Ironie für die Dinge, die sie getan hat. Natürlich litt sie an einer schrecklichen Geisteskrankheit und das ist das Endergebnis. Aber dagegen mussten die Dinge, die sie tat, als eine Art Aufschrei gegen eine Welt, die immer ausbeuterischer wurde, in Szene gesetzt werden.

Warum nutzte damals Christine Chubbuck das Livefernsehen als Plattform? Warum nutzte Sie buchstäblich ihr eigenes Leiden vor der Welt aus? Auch der Film wird uns keine Antwort geben und auch die eigene Interpretation ist keine leichte Ansichtssache. Der Film geht die Thematik respektvoll an, ohne eine falsche Gewissheit zu schaffen. Ein Film über das Portrait einer Frau, mit tragischem Ende ohne Hoffnung.

Kurzum: Der biografische Film Christine hätte ohne Rebecca Halls ergreifende und engagierte Leistung nicht funktioniert. Ich weiß nicht viel über die echte Christine, abgesehen von der Tatsache, dass sie im Fernsehen Selbstmord beging, aber Rebecca Hall vermittelte in ihrer Rolle sehr real. Mir ist klar, was der Film einem mitteilen soll, dennoch kann man als Zuschauer das unvermeidbare nicht aufhalten. Vielleicht sollten wir alle mal darüber nachdenken, welche Inhalte wir konsumieren und welche Folgen das mit sich bringt. Ob der Film eine Kritik gegenüber Sensationsgier darstellt, sollte der Zuschauer selbst entscheiden.

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The Commuter

23. Mai 2018 0
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