Hannibal „the Cannibal“ dürfte jedem ein Begriff sein, denn der Gentleman mit dem fragwürdigen Essverhalten aber ansonsten tadellosen Tischmanieren hat sich über die Jahre als eine echte Ikone des Bösen etabliert.

Seinen Ursprung nahm die steile Karriere des  mental leicht derangierten Psychiaters 1981 im Roman des amerikanischen Autors Thomas Harris, der es durch die Veröffentlichung der Hannibal Lecter Tetralogie zu weltweiter Bekanntheit brachte – schon einige Jahre später schien sich der zunächst noch nicht einmal als Hauptcharakter ersonnene Antagonist jedoch zu verselbstständigen:

Spätestens seit 1991 „Das Schweigen der Lämmer“ mit Anthony Hopkins in der Rolle des Dr. Lecter in die Kinos kam, ist Hannibal auch im popkulturellen Sinne ein stehender Begriff geworden.

image001

Doch bei der bloßen Eroberung der großen Kinoleinwand sollte es nicht bleiben. Jüngst finden sich geneigte Serienfanatiker auch immer öfters abends mit einem Glas Chianti vor dem Fernseher ein, um sich mit latenter Gänsehaut NBCs neusten Streich zu Gemüte zu führen. „Hannibal“ stammt trotz unverhohlener Anlehnung an Thomas Harris‘ Kreation in diesem Fall aus der Feder von Bryan Fuller, welcher sich beispielsweise schon durch Serien wie „Pushing Daisies“ oder „Dead like me“ einen Namen machen konnte.

Dr. Lecter – hier verkörpert durch den brillianten dänischen Schauspieler Mads Mikkelsen (z. B. auch zu sehen in „Casino Royale“) – ist zum Handlungszeitraum der Serie noch praktizierender Psychiater und sitzt nicht in einem nahezu hermetisch abgeriegelten Glaskasten in einer Hochsicherheitsanstalt, folgerichtig befinden wir uns in der Zeitlinie noch vor „Schweigen der Lämmer“. Obwohl es ihm gelingt den Anschein eines besonnen Therapeuten zu wahren, darf man auf die Frage nach seiner Lieblingsspeise wohl keine ehrliche Antwort erwarten: Mit augenscheinlich großer innerer Zufriedenheit serviert er seinen Gästen kunstvoll zubereitete Menüs, die jedoch leider zu nicht unerheblichen Anteilen aus menschlichem Fleisch bestehen. Im Grunde genommen führt Hannibal also das perfekte Doppelleben – auf der einen Seite verständnisvoller Seelenklempner, auf der anderen Seite gänzlich empathiebefreiter Serienmörder mit Hang zum Kannibalismus.

image004

Eine interessante Wendung nimmt sein Leben allerdings, als er zur Wahrung des Seelenheils von Will Graham, seines Zeichens als eine Art Profiler für das FBI, angeworben wird. Graham – gespielt vom britischen Schauspieler Hugh Dancy – hat die besondere Gabe, sich mental in Serienmörder hineinversetzen und somit Motiv und Tathergang sehr genau zu rekonstruieren zu können. Für dieses sehr speziellen Talent bezahlt Graham allerdings den hohen Preis einer allgemein sehr labilen Psyche – selbst eher überempathisch und mit aspergerähnlichen Charakterzügen, belastet ihn seine Arbeit so stark, dass er immer wieder droht in den Wahnsinn abzugleiten. Sein Vorgesetzter, Special Agent Crawford (der durch niemand geringeren als Laurence Fishburne gespielt wird) kann und will dennoch nicht auf seine Dienste verzichten und stellt ihm daher zur mentalen Unterstützung Dr. Lecter zur Seite.

image002

Der fragile Profiler, dessen psychische Gesundheit auf wackeligen Beinen steht und der gefühllose, kalkulierende Psychopath, zu dessen Spielball er wird – innerhalb kürzester Zeit erwächst zwischen den beiden grundverschiedenen Charakteren eine Dynamik, die es mühelos zu schaffen scheint, eine ganze Serie zu tragen.

Besonders die Interpretation des Hannibal hat es mir persönlich angetan – und das nicht nur, weil ich allgemein ein großes Herz für Fieslinge habe. Nein – viel mehr bin ich es nur satt, mich mit klischeehaften Psychos konfrontiert zu sehen, die als Gegenspieler etwa so vorhersehbar sind wie das Fernsehprogramm. Hannibal hat als Kunstfigur durch seine Beherrschtheit und sein kaltes Kalkül schon immer einen Gegenpol zu eben diesen Abziehbildern geboten und eben dieser Faktor wird durch Mikkelsen auch treffend in Szene gesetzt.

image003

Hugh Dancy in der Rolle des Will Graham hingegen ist zweifelsfrei genauso dargestellt, wie es für die Dramaturgie der Serie notwendig ist – wenn auch ich sein leidender Dackelblick mich hin und wieder an den Rand meiner Toleranz treibt.

Die Tatorte der zahllosen Morde sind jedes Mal künstlerisch wertvoll (diese Formulierung scheint mir…unangebracht) inszeniert und es wurde definitiv nicht an Kunstblut gespart. Dennoch mutiert „Hannibal“ in keinster Weise zum Splatter-Serienabklatsch – das klare Hauptaugenmerk liegt auf dem Spannungsfeld, das zwischen Lecter und Graham erwächst.

Die nunmehr zweite Staffel hatte ihr Finale im deutschsprachigen Raum Ende vergangenen Monats, doch schon seit Mai diesen Jahres gilt es als erwiesen, dass NBC auch eine dritte Staffel bestellt hat. Wer also bisher noch nicht begonnen hat, „Hannibal“ zu schauen, sollte schleunigst seinen Einstieg schaffen!

 

Fazit

NBCs „Hannibal“ hat eigentlich alles, was eine gute Serie braucht: Überdurchschnittlich gute Schauspieler, ein ordentliches Setting und den Erfolgsgaranten, an eine weltweit bekannte Buchreihe angelehnt zu sein. Praktisch ein Konzept, dass so ja z. B. auch schon bei „Game of Thrones“ funktioniert hat.

Ungebrochen ist auch unsere Faszination für das Böse, für menschliche Abgründe, ja – für die Figur Hannibal. Auch wenn Buch, Filme und Serie nicht mehr als eine grundlegende Vergleichbarkeit vorweisen, so ist doch auch diese neuste Interpretation des kultivierten Kannibalen mehr als nur ein bisschen sehenswert.

image005

Facts

Erstausstrahlung: 4. April 2013 (USA) auf NBC
Deutschsprachige Erstausstrahlung: 30. September 2013 auf Puls 4
Episoden: 26 in 2+ Staffeln
Idee Serie: Bryan Fuller
Romanvorlage: Thomas Harris
Produktion: Carol Dunn Trussell
Produktionsunternehmen: Living Dead Guy Productions, Gaumont International Television
Ausführende Produzenten: Carol Dunn Trussell, David Slade, Katie O’Connell, Martha De Laurentiis, Jennifer Schuur
Regie: David Slade, Guillermo Navarro, Michael Rymer
Musik: Brian Reitzell
Hauptdarsteller: Mads Mikkelsen, Hugh Dancy, Caroline Dhavernas, Laurence Fishburne, Kacey Rohl
Genre: Psychothriller-Krimiserie

Next Post

Into The Woods

22. Januar 2015 0
1 Comment
  • Gurki 9 Jahren ago

    Vielen Dank für die gute Zusammenfassung. 🙂 Ich werd da auf jedenfall mal reinschauen. Grüße Gurki

Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert