15. Oktober 2013

Beyond: Two Souls

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Menschenskinder – was haben wir gespannt gewartet!

Nachdem wir zuletzt noch auf der Gamescom mit riesigen Plakatwänden geteast wurden, war es am 11. Oktober dann nach einen gefühlten Ewigkeit endlich soweit! Dann hält man also „Beyond: Two Souls“ in Händen und erwartet sich so einiges davon – nie zuvor wurden die den Charakteren als Vorbild dienenden Schauspieler extra auf dem Spielecover ausgewiesen. Also halb Film, halb Spiel? Interaktiver Spielfilm? Egal – jedenfalls waren wir uns wahrscheinlich alle sicher, dass es ziemlich oberepisch werden würde! Und grandiose Inszenierungen bekommen wir in jedem Fall geboten. Was das Spiel sonst noch zu bieten hat, wollen wir jetzt aber mal genauer unter die Lupe nehmen…

Die Story von „Beyond: Two Souls“ macht erst mal richtig was her: Wir schlüpfen in die Rolle von Jodie, die seit ihrer Geburt eben…ein bisschen „anders“ ist als andere Kinder. Das liegt vermutlich daran, dass sie einen unsichtbaren Freund hat; ein übersinnliches Wesen das von einem unsichtbaren Band an sie gebunden zu sein scheint und nicht von ihrer Seite weichen kann oder will. Das hat – wie sich schon bald herausstellt – Vor- aber auch einige Nachteile: Während ihr unsichtbarer Begleiter (der im Übrigen auf den Namen Aiden hört) ihrer einerseits auf verschiedene Art behilflich sein kann, so macht er sie auf der anderen Seite natürlich zum ultimativen Sonderling. Klingt halt immer ein bisschen doof, wenn man anderen von „unsichtbaren Freunden“ erzählt.. Zusätzlich rückt sein Vorhandensein sie auch in das Zentrum wissenschaftlicher Forschungsinteressen – nicht zwingend zum bloßen Vorteil für Jodie.

Eine Besonderheit der Erzählweise liegt darin, dass die Geschichte uns nicht linear aufgetischt wird – stattdessen springen wir immer wieder in Vergangenheit und Gegenwart hin und her, so dass eine gewisse geistige Flexibilität notwendig ist, um die Zusammenhängen zu überschauen. Ob man das jetzt mag oder nicht, ist Geschmackssache; ich persönlich fand es sehr passend, denn auf diese erhalten wir nicht nur einen umfassenderen Einblick in Jodies Werdegang, sondern können auch ihre Beweggründe besser einordnen. Küchenpsychologen wissen: Unsere Kindheit ist der Schlüssel zu allen inneren Vorgängen!

A propos Kindheit: Wir erleben durch den anachronistischen Erzählstil auch, mit welchen vielfältigen Sorgen und Nöten Jodie sich schon in frühster Kindheit und Jugend rumschlagen musste und mehr als nur einmal überkommt einen das dringende Gefühl, die Kleine mal in den Arm nehmen zu müssen. Das bewirkt aber nicht die bloße Gefühlsduselei à la „Ooooch, kleines Mädchen allein und verlassen“, sondern eine exzellent erzeugte Atmosphäre: Musikalische Untermalung gepaart mit einem (für Videospiele ungewohnte) Stillhalten der Kamera und unglaublich guter Mimik der Charaktere wirken hier wahre Gefühlswunder. Die Tatsache, dass die Spielcharaktere eine ganze Bandbreite an Emotionen über ihre Gesichtsmimik transportieren rechtfertigt auch direkt die Tatsache, dass als „Vorbild“ so hochkarätige Schauspieler wie Willem Dafoe oder eben Ellen Page gecastet wurden. Ganz offensichtlich hat es ja etwas genutzt!

Und so wie man schnell Mitgefühl für Jodie empfinden kann, so baut man auch generell schnell eine Beziehung zu den Charakteren auf. Und das ist nicht nur auf Jodie beschränkt! Jeder Charakter hat individuelle Gründe für sein Handeln und irgendwie fällt es uns auch nicht schwer, sich in jeden einzelnen von ihnen hineinzuversetzen. Wir fühlen mit – ob sie sich freuen, trauern oder verzweifeln. Neben einer packenden Story, können wir hier also schon mal das zweite, große Plus vermerken: Ähnlich wie bei Filmen oder Serien steht und fällt die Qualität auch mit der Möglichkeit, sich in die handelnden Charaktere hinein zu fühlen.

Ähnlich wie bei Filmen oder Serien steht und fällt die Qualität auch mit der Möglichkeit, sich in die handelnden Charaktere hinein zu fühlen

Glücklicherweise leisten auch die deutschen Synchronsprecher saubere Arbeit und man ist keineswegs gezwungen, das Ganze in der englischen Originalsprachausgabe zu spielen. Kann man aber, wenn man unbedingt will – enthalten ist sie jedenfalls auch.

Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist dafür die Steuerung – nach einer Weile hat man sich eingespielt, doch gerade zu Beginn wirkt alles ein bisschen ungenau. Das ist allerdings eine Schwäche, mit der Quantic-Dream-Produkte seit jeher zu kämpfen haben. Zusätzlich erschwerend hinzu kommt der häufig Wechsel der Kameraperspektive. Das sieht – cineastisch betrachtet – zwar verdammt gut aus, doch praktisch ist es eben nicht, wenn man ständig gegen Wände läuft, weil man Jodie in Frontalansicht steuern muss. Ansonsten steuert sich das Spiel zunächst ähnlich, wie auch schon „Heavy Rain“ seinerzeit. Sobald mit einem Gegenstand interagiert werden kann, leuchtet darauf ein kleiner weißer Punkt auf. Wählt ihr diesen an, wird euch in der Regel eine Tastenkombination abverlangt. Etwas anspruchsvoller geht es da dann schon in den Kämpfen zu: Anders als beim Vorgänger müsst ihr nun nämlich den Stick in die Richtung bewegen, in die Jodie schlagen oder ausweichen soll. Das klappt meist intuitiv schon recht gut, ist aber trotzdem schwerer wie das zuvor gewohnte Tastendrücken. Interessant wird es dann natürlich, wenn ihr in den „Aiden-Modus“ wechselt – denn ja, auch der unsichtbare Freund ist spielbar! Dieser kann nicht nur durch Wände schweben und Gegenstände – aus für anderen unerfindlichen Gründen – umherfliegen lassen, sondern auch Menschen töten oder aber Besitz von ihnen ergreifen und sie in willenlose Zombies verwandeln. Klingt gut? Ist es auch! Ab und an hätte wahrscheinlich jeder gerne mal einen eigenen Aiden…natürlich nur, um durch Wände gucken zu können!!!

Auch eure Handlungsoptionen sind eingeschränkt – meist beschreitet ihr einen relativ eng gesteckten, vorgegebenen Weg und könnt euch nur selten frei bewegen. Allerdings ist das hier im Gegensatz zu manch anderem Spiel, bei dem das bemängelt wurde, nicht wirklich ein Problem – schließlich wollen wir ja wissen, wie es weitergeht und nicht ewig ziellos in der Gegend rumeiern..  A propos „Rumeiern“: Das kommt zwar im Bezug auf die Steuerung kein bisschen zum Tragen, aber optisch und für’s Spielgefühl macht es schon einiges her, dass Jodie manchmal ein bisschen stolpert, mal aus dem Gleichgewicht kommt und auch sonst ziemlich viele, kleine menschliche Verhaltensweisen an den Tag legt. Das sind oft Kleinigkeiten – Dinge, die wir nicht steuern, sondern die sie einfach tut; beispielsweise, wenn man eine Weile stillsteht – die sie letztlich noch realistischer wirken lassen. Hier hat man wirklich auf Details geachtet!

„Lasst uns das Medium für all jene öffnen, die andere Ideen haben. Es ist toll zu sehen, dass es Menschen gibt, die Videospiele entwickeln, in denen das Schießen nicht im Fokus steht.“ David Cage

Auswahlmöglichkeit habt ihr dafür innerhalb der Konversationen mit anderen Charakteren: Je nachdem welche Option ihr wählt, verläuft die Geschichte unter Umständen ganz anders und gerade zum Ende hin haben eure Entscheidungen eine große Tragweite. Letztlich kommt es ganz darauf an, wie ihr euch verhaltet, welches der verschiedenen Enden ihr dann am Ende tatsächlich zu sehen bekommt.

Fazit

Nur weil man „Beyond: Two Souls“ nach schätzungsweise 10 bis 12 Stunden durchgespielt hat, hat man dann noch lange nicht mit dem Spiel abgeschlossen. Szenen – nicht aus dem eigenen, sondern aus Jodies Leben – verfolgen euch, beschäftigen euch und die Charaktere sind einem ans Herz gewachsen. Nicht nur das, auch die verschiedenen Enden führen höchstwahrscheinlich dazu, dass man das Spiel mehr als nur einmal durchspielen wird.

Zurecht – selten gab es so gute Gesichtsanimationen, so fein gezeichnete Charaktere und so viel emotionales Potential in einem Spiel. Dennoch hat natürlich auch „Beyond“ einige Schwächen wie etwa die Steuerung und – erneut große Frage des eigenen Geschmacks! – einen ordentlichen Twist gegen Ende des Spiels, das plötzlich viel mehr Science-Fiction als bloß ein brillant inszenierter Thriller ist.

Trotzdem: Als PS3-Besitzer kommt man um dieses Spiel praktisch nicht drum rum und das auch zurecht, denn es handelt sich hier auch mit allen Ecken und Kanten um eine echtes Meisterwerk!

 

 

 

 

 

 

 

 

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23. Oktober 2013 2
4 Comments
  • Kevin J. 10 Jahren ago

    Ich liebe dieses Spiel! Ich habe zwei Nachbesprechungen dazu angehört und es tat mir in der Seele weh, dass es quasi im Nachhinein noch so detailiert auseinander genommen wurde.
    Ungelogen ist es für mich derzeit das beste Spiel, das ich bisher gespielt habe.
    Vielleicht habe ich aber auch weniger Kritik an diesem Spiel, weil mir sowohl Action-Passagen als auch Story an sich total gefallen haben und ich bisher nie solche Art Spiel gespielt habe (auch Heavy Rain nicht)

  • Lisa Casualty 10 Jahren ago

    Nachdem ich das Spiel nun durchhab, kann ich deinem Artikel nur zustimmen. Sehr schön!

  • Hansi T. 10 Jahren ago

    Der beste Artikel im Netz über dieses Game! Love!

  • Dandare 10 Jahren ago

    Schöner Artikel, wobei ich das mit der Steuerung nicht beurteilen kann, denn ich schaue mir das; mangels PS3, als LP an. Hab aber schon den Eindruck das sich das Spiel teilweise wie von selbst lenkt (also ob die Kamera irgendwo hin zieht…).
    Frag mich ob es an „The Last of Us“ heran kommt, welches nicht ganz so stringent einem „Routing“ folgt und welches ich zu den besten Spielen aller Zeiten zähle, weil die Identifikation mit den Charakteren dort sehr überzeugend war, abgesehen von der geilen Story. Nuja, LP läuft noch 🙂 Geiles Spiel allemal, die Jodie liebt man ziemlich schnell.

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