1. Juni 2018

Detroit: Become Human

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Seit der Kara Tech Demo von Quantic Dream war ich scharf auf Detroit: Become Human. Mein innerer Monk ist ausgerastet, als ich erfahren habe, dass das Studio von Fahrenheit, Heavy Rain und Beyond: Two Souls an einem Titel arbeitet. Zugegeben war ich nie Fan von Fahrenheit, jedoch liebte ich Heavy Rain und Beyond: Two Souls, welches das letzte PS3 Masterpiece war und so ziemlich alles nochmal aus der alten Konsole rausholte, sehr. Auf der gamescom 2016 und 2017 wurde uns dann nochmal der Mund wässrig gemacht und ich habe gefühlt hundertmal die Geisel-Demo gespielt, die auch momentan noch auf der PS4 zum Download für alle bereit steht. Endlich ist es da, ich habe es durchgezockt, endlich ist hier mein Test für Euch. Wie Detroit bei mir abschnitt, das erzähle ich euch jetzt.

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Geschichte

Detroit im Jahre 2038. Alles wird durch Technik regiert und alles dreht sich nur noch um Androiden. Androiden, die nahezu jeder kaufen kann und den Menschen dienen sollen. Natürlich kommen wir als Spieler gleich eine moralische Komponente vermittelt: Ist es wirklich sinnvoll und gut, den Menschen durch eine Maschine zu ersetzen? Klar sind Androiden an manchen Stellen gut eingesetzt, wenn wir zum Beispiel an die Roboterindustrie derzeit denken. Auch für unliebsame, oder gar anstrengende Aufgaben ist es doch praktisch einen Diener zu haben, oder etwa nicht? Was ist mit den Menschen, die eventuell keinen Job mehr bekommen und ihre Familie nicht mehr ernähren können? Detroit: Become Human polarisiert stark und schreit es einem förmlich ins Gesicht, da wir im Spiel überall Grafitti, Poster, Plakate, LCD Screens mit diversen Pro- und Antiparolen konfrontiert werden. Auch die Menschen aus Detroit haben unterschiedliche Meinungen, die einen demonstrieren und hassen die Adroiden und andere finden diese eine Erleichterung und Hilfe im alltäglichen Leben. Klar spielen auch Kosten eine Rolle und auch nicht jeder Besitzer behandelt seinen Androiden gut. Was wäre, wenn die Androiden aus ihrem System, ihren Programmen ausbrechen und eigenständiges Leben, Gefühle, wie Angst, Liebe, Hass empfinden und eigenständig denken und eigene Sinne verwirklichen?

Gameplay

In Detroit: Become Human schlüpfen wir in die Rolle von drei verschiedenen Androiden und spielen ihre eigene Geschichte. Eine Besonderheit der Erzählweise liegt darin, dass die Geschichte uns nicht linear aufgetischt wird. Stattdessen springen wir immer wieder in nach Abschluss einer Szene von einem Charakter zum nächsten, sodass eine gewisse geistige Flexibilität notwendig ist. Ob man das jetzt mag oder nicht, ist Geschmackssache; ich persönlich fand es sehr passend, denn die einzelnen Parts machen Lust auf mehr, wie bei einer guten Serie, die man unbedingt weiterschauen möchte. Okay, nicht jeder mag Storytelling von David Cage, ein Autor, der wahrscheinlich lieber Filme und Serien drehen möchte, statt für Videospiele zu schreiben und Logiklücken gibt es an manchen Stellen auch, aber hey, Detroit ist sicherlich das beste Spiel von Quantic Dream und die Handlungslöcher sind so gering, dass man den Fakt verschmerzen kann, da trotzdem eine spannende Geschichte erzählt wird.

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Mit dem Touchpad Magazine lesen

Mit dem Touchpad Magazine lesen

Mich persönlich störte etwas die Steuerung der Charaktere. Oft hatte ich nicht das Gefühl, dass ich sie wirklich unter Kontrolle habe, da sie sich etwas steif steuern lassen. Ähnlich wie bei einem Point and Click Adventure, wo man mit der Maus hindeutet, wo der Charakter hinlaufen soll. Sprich, ich kann mich überall hinbewegen, aber die Reaktion des Charakters wird verzögert oder anders interpretiert. Das ist allerdings eine Schwäche, mit der Quantic Dream-Produkte seit jeher zu kämpfen haben. Zusätzlich erschwerend hinzu kommt der häufige Wechsel der Kameraperspektive. Das sieht, cineastisch betrachtet, zwar verdammt gut aus, doch praktisch ist es eben nicht.

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Ansonsten steuert sich das Spiel zunächst ähnlich, wie auch schon Beyond: Two Souls seinerzeit. Sobald mit einem Gegenstand interagiert werden kann, leuchtet er auf, oder man wechselt mit seinem Androiden in eine Art Scan-Sicht, wo wir Räume nach interessanten Gegenständen absuchen können. Wählt ihr diesen an, wird euch in der Regel eine Tastenkombination abverlangt. Die Kämpfe bestehen aus sogenannten Quick Time Events, wo wir zum richtigen Zeitpunkt die richtige Taste drücken müssen. Klar ist die Spielweise nicht jedermanns Geschmack, aber wenn wir ein Spiel von Quantic Dream kaufen, dann wissen wir, worauf wir uns einlassen. Mir persönlich gefällt der Stil jedenfalls sehr gut. Genau mein Ding, vor allem, weil ich mich dann auf anderes, wie zum Beispiel eine gute Geschichte, konzentrieren kann.

Mehr Handlungsspielraum habt ihr dafür innerhalb der Konversationen mit anderen Charakteren: Je nachdem welche Option Ihr wählt, verläuft die Geschichte unter Umständen ganz anders und an vielen Stellen haben eure Entscheidungen eine große Tragweite, die sich auf die gesamte Geschichte auswirkt. Letztlich kommt es ganz darauf an, wie ihr euch verhaltet, welches der verschiedenen Enden ihr dann am Ende tatsächlich zu sehen bekommt.

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Hauptcharaktere

Connor

Connor ist ein hochmoderner Androidprototyp. Er kann Tatorte und Vorfälle untersuchen und unterstützt das Detroit Police Department bei der Jagd nach Abweichlern. Connor wird der neue Partner von Lieutenant Hank Anderson, welcher nicht gerade Freudensprünge macht, als ihm ein Android zur Seite gestellt wird. Hank kann Androiden nicht leiden, warum werdet Ihr sicherlich selbst herausfinden und auch, ob die Partnerschaft zwischen den beiden gut geht und ob sie womöglich noch Freunde werden?

Kara

Kara wurde von ihrem gewalttätigen Besitzer Todd angeschafft um den Haushalt zu schmeißen und sich um seine neunjährige Tochter Alice zu kümmern. Kara entwickelt schnell Muttergefühle und kümmert sich liebevoll um die Kleine. Todd lässt nicht nur seine Aggressionen durch Drogenmissbrauch und Arbeitslosigkeit an Kara raus, somit müssen Kara und Alice aus der Gewaltspirale ausbrechen und bald führen die beiden ein Leben auf der Flucht. Kara ist nun eine Abweichlerin, die aus ihrem Programm ausgebrochen ist und muss ihr Ersatzkind beschützen und um sie kämpfen.

Markus

Der Besitzer von Markus ist ein pflegebedürftiger Mann, der seinen Androiden gut behandelt und auch schult, sich einen eigenen Willen entgegengesetzt zu seiner Programmierung anzueignen. Markus schließt sich einer Untergrundfraktion an, die er auch bald schon anführt. Er fordert die Befreiung der Detroiter Androidenbevölkerung. Ob Markus den Weg friedlich geht, oder seine Rechte mit Gewalt durchsetzt um ein Signal an die Menschen zu senden, liegt in unserer Entscheidung.

Optik und Charakterdarstellung

Die Charaktere und auch die Spielgrafik sind mehr als genial umgesetzt. Die Mimik sieht sehr echt aus und ab und an denkt man gar nicht mehr daran, dass man gerade ein Videospiel spielt. Ich selbst besitze noch die erste Generation der PS4 und keinen 4K Fernseher- ich möchte mir gar nicht ausdenken, wie die Grafik auf der Pro aussieht.

Detroit: Become Human™_20180529195022Wenn man zum Beispiel Kara spielt, die auf die kleine Alice aufpassen muss, überkommt einen mehr als nur einmal das dringende Gefühl, die Kleine mal in den Arm nehmen zu müssen. Das bewirkt aber nicht die bloße Gefühlsduselei à la „Oooch, armes kleines Mädchen allein und einsam“, sondern eine exzellent erzeugte Atmosphäre: Untermalung der Umgebung gepaart mit einem für Videospiele ungewohnten Stillhalten der Kamera und unglaublich guter Mimik der Charaktere wirken hier wahre Gefühlswunder. Die Spielcharaktere transportieren eine ganze Bandbreite an Emotionen über ihre Gesichtsmimik und legen auch  sonst ziemlich viele, kleine menschliche Verhaltensweisen an den Tag. Das sind oft Kleinigkeiten, wie zum Beispiel Dinge, die wir nicht steuern, sondern die die Charaktere einfach machen; beispielsweise, wenn man eine Weile stillsteht – die sie letztlich noch realistischer wirken lassen. Hier hat man wirklich auf Details geachtet. Jeder Charakter hat individuelle Gründe für sein Handeln und irgendwie fällt es uns auch nicht schwer, sich in jeden einzelnen von ihnen hineinzuversetzen. Wir fühlen mit – ob sie sich freuen, wütend sind oder verzweifeln.

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Die Flussdiagramme, die nach Abschluss eines Storyparts dargestellt werden, sind ein guter Anreiz um die eigene Auswahl zu erkunden. Natürlich möchte man auch, bestenfalls wenn man mit der Geschichte fertig ist, gewisse Parts erneut spielen, da man entweder neugierig ist, wie die Charaktere sich bei anderen Entscheidungen und Handlungen verhalten, zudem möchte man wissen, wie es sich in dem weiteren Verlauf der Geschichte verhält. Der Wiederspielwert ist enorm hoch.

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Fazit

Mit Detroit: Become Human erleben wir eine anspruchsvolle Geschichte, in der unsere Entscheidungen nicht nur das Schicksal unserer Charaktere beeinflussen, sondern auch Auswirkungen auf den gesamten Verlauf der Geschichte haben.  Nur weil man Detroit: Become Human nach schätzungsweise 10 bis 12 Stunden durchgespielt hat, hat man dann noch lange nicht mit dem Spiel abgeschlossen. Die verschiedenen Enden und auch die Diagramme unserer getroffenen Entscheidungen nach Abschluss eines Spielparts führen höchstwahrscheinlich dazu, dass man das Spiel mehr als nur einmal durchspielen wird. Selten gab es so gute Gesichtsanimationen, so fein gezeichnete Charaktere und so viel emotionales Potential in einem Spiel, dennoch muss ich auch Kritik ausüben.

Man könnte Detroit: Become Human ankreiden, dass man ziemlich schnell mitbekommt, wohin die Reise geht und dass die Handlung sehr vorhersehbar ist. Die etwas schwierigen Thematiken mit komplexeren Strukturen werden leider nur sehr oberflächlich behandelt. Da haben wir zum Beispiel eine Missbrauchsgeschichte, die sich an Klischees bedient um bei dem Spieler und auch den zu spielenden Adroiden emotional etwas auszulösen. Funktioniert zwar sehr gut, hätte mir aber tiefergehende Behandlung diverser Themen gewünscht, statt sie nur als Mittel zum spielerischen Zweck zu verwenden. Gerne würde ich auch tiefergehend auf die Geschichte mit Kara und Alice eingehen, die, gerade nach dem beenden der Geschichte, ein paar Fragen und Lücken aufwirft, aber auch Geheimnisse im Zusammenhang aufdeckt, dies werde ich aber aus Spoilergründen nicht näher erläutern. Bei Connor bekommen wir Parallelen zur Rassismusthematik vermittelt, jedoch wird diese Thematik nur dazu verwendet, dass Menschen vor etwas fremden Angst haben und auf die wirklichen Probleme im System und der Gesellschaft wird nicht tiefer eingegangen. Schade, hier hätte etwas Feintuning dem Spiel und auch der zu vermittelnden Botschaft gut getan.

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Die Steuerungsvariante in Detroit: Become Human ist sicherlich Geschmackssache, ich freute mich auch, dass das vernachlässigte und verstaubte Touchpad mal wieder zum Einsatz kam, wenn auch nur als Gimmick dient.

Detroit: Become Human ist voller verworrener Symbolik und einem Funken Hoffnung in ihrem interessantesten Universum, wie es bei einem Quantic Dream Spiel bereits Gang und Gebe ist. Es hat zwar nichts völlig Neues und Bahnbrechendes zu sagen, liefert aber trotzdem in Sachen Dramatik, Gesichtsmimik und freien Handlungsspielraum ab. Das Storytelling funktioniert, weil man sich subtil mit den Spannungen des Andersseins auseinandersetzt. Je nachdem welche Option Ihr wählt, verläuft die Geschichte unter Umständen ganz anders und an vielen Stellen haben eure Entscheidungen eine große Tragweite, die sich auf die gesamte Geschichte auswirkt. Trotz einiger Abstriche ein Spiel, welches uns sicherlich an den Fernseher fesselt und an einigen Stellen emotional halten kann. Eine interaktive Spielerfahrung mit interessanter und spannender Geschichte.

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Wertung

9.2

Fazit

9.2/10
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