Es fühlt sich gar nicht so an, doch tatsächlich ist es nun schon zwei Jahre her, dass wir in Jason Brodys Schuhe schlüpften und einen erholsamen Urlaub in tropischer Umgebung verlebten. Na gut, „erholsam“ war vielleicht gelogen – eigentlich ballerten wir uns kreuz und quer über die Insel, ständig mit dem völlig durchgeknallten Vaas auf den Fersen. Aber schön war es trotzdem!
Entsprechend hoch sind deshalb also auch die Erwartungen an den nunmehr erschienen vierten Teil der Far Cry-Erfolgsstory – ob diese erfüllt werden oder nicht beleuchten wir im nachfolgenden Test kritisch.

Erst einmal zur auffälligsten Neuerung: Wir bekommen es nicht nur mit einer brandneuen Story, sondern natürlich auch mit einem neuen Hauptcharakter zu tun – namentlich Ajay Ghale. (Was in geschriebener Form ziemlich doof aussieht – hätte es ein schlichtes „AJ“ nicht auch getan? OMG.)
Besagter Ajay jedenfalls kehrt in seine Heimat, das durch den tyrannischen Herrscher Pagan Min unterjochte Kyrat irgendwo am Himalaya, zurück mit dem Plan, dort die Asche seiner verstorbenen Mutter zu verstreuen. Dies war ihr letzter Wunsch und wie das eben so ist mit Müttern…man kann ihnen keinen Wunsch abschlagen. Also schon gar nicht den Letzten, nehme ich an.
Dass das Klima im bildhaften Sinne in Kyrat enorm am brodeln ist, scheint unseren sorglosen Helden zunächst nicht von seinem Trip abhalten zu können. Die Bergregion gleicht einem Schnellkochtopf – während Herrscher Pagan Min nicht gerade diplomatisch mit Gegnern seines Regimes zu verfahren scheint, erwächst mehr und mehr Widerstand in der Bevölkerung. Ein Zusammenschluss revolutionäre Bürger schließt sich zur Gruppe „Der goldene Pfad“ zusammen und gemeinsam tun sie ihr möglichstes, dem extrovertierten Diktator das Leben schwer zu machen. Offiziell geht es ihnen um die Befreiung Kyrats, doch welche persönlichen Ziele sie sonst verfolgen, bleibt zunächst im Dunkeln. Zusätzlich scheint auch innerhalb der Splittergruppe ein Konflikt um die Vorherrschaft entbrannt zu sein, denn sowohl eine Frau Names Amita als auch ihr gruppeninterner Gegenspieler Sabal möchten sich selbst gerne an der Spitze des „Goldenen Pfades“ sehen. Ungewollt gerät so auch Ajay in diese Auseinandersetzung und muss ein um das andere Mal abwägen, wessen Weg er einschlagen wird.

Ebenfalls im Dunkeln bleibt allerdings auch, woher Ajay – der Tourist aus Amerika – dermaßen viele Überlebens- und Kampfskills erlernt hat. Denn kaum sind wir gelandet, geht auch schon die Action los: Wilde Schießereien, wie ein Extremsportler Felswände hinauf- und hinabklettern… ohne, dass es ihm jemand gezeigt oder erklärt hätte, beherrscht unser Protagonist all diese Übungen mit Leichtigkeit. Ein echtes Naturtalent! Dabei wollte er doch eigentlich nur die Asche…! Tja, so schnell kann’s gehen – wupps, und schon ist man in den Streit zwischen einem Bergdorf-Diktator und regimekritischen Milizen verwickelt. Wer kennt das nicht?
Alles in allem erscheint die Story zunächst etwas inkonsequent in ihrer Erzählweise: Während Pagan Min, der strahlende Antagonist und modisch versierte Alleinherrscher Kyrats, schon gleich zu Anfang einen großen Auftritt hatte, wird es danach lange Zeit still um ihn und die Story fließt mehr wie ein dünnes Rinnsal statt eines reißenden Erzählflusses dahin.
Nur gut, dass Far Cry 4 nicht bloß aus dem Abklappern der Story besteht – von Anfang an haben wir eine weitläufige Karte vor uns, die es Stück für Stück aufzudecken gilt. Ähnlich wie in Far Cry 3 gibt es auch hier wieder Türme zu erklimmen, infolgedessen dann ein weiteres Areal aus dem Nebel auftaucht und in der Karte zu sehen ist. Auch die feindlichen Außenposten sind überall verstreut und es gilt, diese zu erobern und Pagans Heerscharen zurück zuschlagen.
Allein diese beiden Aufgaben halten uns zunächst eine ganze Weile beschäftigt, sodass die eigentliche Hauptstory zunächst ins Hintertreffen gerät.
Neben allerlei aufsammelbaren Gegenständen, zu ortender Beutekisten und Heilpflanzen und bejagbarer Tiere, die zur Herstellung verschiedenster Gegenstände erlegt werden wollen, gibt es natürlich auch ganz reguläre, kleinere Nebenmissionen. Beschütze diesen Konvoi, rette diese Person… nichts Aufregendes, doch (finanziell) größtenteils ein lohnender Zeitvertreib. Neben den anwählbaren Nebenmissionen gibt es allerdings auch noch solche, die zufällig auftauchen und eurem Eingreifen bedürfen – zum Beispiel müsst ihr spontan den Konvoi der Pagan Min untergebenen Royal Army ausbremsen. Kommt ihr dem nach, so erhaltet ihr Karmapunkte – einzutauschen sind diese zum Beispiel, indem ihr bei Bedarf Unterstützung durch die Krieger des goldenen Pfades anfordern könnt. Wenn es uns überkommt, suchen wir die auf der Karte markierte Stelle zur Weiterführung der Hauptstory auf, doch – wenn wir ganz ehrlich sind – ähneln die anfänglichen Story-Missionen stark den nicht von tiefgreifender Bedeutung geprägten Nebenmissionen.

Es dauert eine ganze Weile, bis die Geschichte an Fahrt aufnimmt – maßgeblich an der erwachsenden Spannung beteiligt sind daran auch die vielen interessanten Nebencharaktere. Seien es nun die beiden verwirrten Kiffer-Typen, die ihr aus eurem geerbten Haus werft oder der Priester, der nebenher einen florierenden Waffenhandel betreibt – in Sachen schrulliger Figuren macht Ubisoft so schnell keiner etwas vor!
Unmittelbar verwoben mit der Hauptstory ist auch die Handlung in einer Art Zwischenwelt. Hier übernehmt ihr die Rolle von Kalinag, der nur mit einem Messer und seinem ihm treu ergebenen weißen Tiger ausgerüstet durch eine mystische, traumartig anmutende Welt streift und dabei gegen wiederum eher albtraumhaft anmutende Krieger kämpft. Mit einem Fingerzeig kann er seinen Tiger auf sie hetzen, doch Vorsicht – die Krieger der Zwischenwelt können sich zeitweilig unsichtbar machen!
Während die Shangri-La-Missionen zunächst schlicht nur kurze Sequenzen ohne näheren Bezug zum Hauptgeschehen sind, so sind die beiden verschiedenen Handlungsstränge nach und nach immer mehr miteinander verwoben.
In Sachen Steuerung und Gameplay ist Ubisoft bei dem geblieben, was schon bei Far Cry 3 bestens funktionierte – es gibt kaum merkliche Veränderungen und Kenner des Vorgängers dürften sich sofort zurechtfinden.
Rein optisch ist Kyrat definitiv eine Reise wert. Das Setting mag Geschmackssache sein, aber ich persönlich habe nach den zuletzt doch eher tropischen Gefilden mit großer Freude den „Tapetenwechsel“ in Kalte Himalaya-Regionen zur Kenntnis genommen. Das ganze ist nicht nur grafisch schön anzusehen, sondern auch generell einfach fantastisch inszeniert: Überall herrscht Leben, fein komponierte Lichteffekte lassen einzelne Handlungsorte in immer neuem Licht erstrahlen und allgemein wurde die Welt von Kyrat mit einem Blick sowohl fürs Detail als auch für malerische Landschaften gestaltet.

Schön, wenn man all diese Eindrücke mit jemandem teilen kann!

Far Cry 4 bietet euch die Möglichkeit, jederzeit einen befreundeten Spieler in euer Spiel einsteigen und daran teilhaben zu lassen. Wenn auch die Missionen der Hauptstory nur allein angegangen werden können, so bleibt euch zu zweit doch immerhin der ganze – beachtliche – Rest der Karte zum gemeinsamen Entdecken.
Neben dieser friedfertigen Variante gibt es allerdings auch den klassischen Multiplayer-Modus, in dem ihr nicht mit-, sondern vielmehr gegeneinander antretet: Hier machen sich die Krieger des goldenen Pfades auf in die Schlacht gegen die Krieger des Rakshasa.
Während die Rebellen mit gewöhnlicher Bewaffnung kämpfen, können die Rakshasa-Kämpfer nur auf Pfeil und Bogen zurückgreifen, dafür aber verschiedene Wildtiere beschwören und auf ihre Widersacher hetzen sowie sich kurzzeitig unsichtbar machen.
Insgesamt wirkt der Multiplayer-Modus bislang ein bisschen unausgegoren, da das Kräfteverhältnis zwischen den beiden Gruppen stark schwankt. Nichts desto trotz macht Far Cry 4 auch zu mehreren einigen Spaß und verspricht, auch nach Abschluss der Hauptmission noch genügend Langzeitmotivation zu bieten.

Fazit

Um es kurz zu machen: Nein, Far Cry 4 ist nichts komplett Neues. Aber ja, Spaß macht es trotzdem. Im Grunde genommen ist der neuste Teil der Reihe nicht grundlegend anders als sein direkter Vorgänger – weder die Steuerung noch das generelle Spielprinzip haben sich großartig verändert und rein vom Gefühl her fühlt sich alles ein bisschen an wie eine Deja vu, allerdings eben kein unangenehmes.
Die gravierendste Veränderung besteht in der Verlegung des Settings von tropischen Gefilden hin in die eisigen Höhen des Himalayas, wodurch sich natürlich auch Flora und Fauna gewandelt haben. Visuell ist das Spiel auch mit einigen Höhenmetern mehr ein echtes Schmankerl und Ubisoft beweist ein weiteres Mal ein echtes Händchen für cineastische Inszenierungen.
Die Story indes braucht dieses Mal ein bisschen mehr Anlaufzeit um wirklich in Fahrt zu kommen, doch letztlich macht auch hier die Geduld sich bezahlt.
Alles in allem bietet Far Cry 4 beste Unterhaltung, hält uns besonders durch die gewaltige Vielzahl an Nebenmissionen lange Stunden beschäftigt und aufgrund des Facettenreichtums wird es dabei nie langweilig.
Innovation dürfen wir zwar nicht erwarten, aber wenn wir uns von dieser Erwartungshaltung frei machen können, haben wir richtig viel Spaß.

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6. Dezember 2014 0
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