Willkommen in der Steinzeit!

Was wäre, wenn Assassin’s Creed, Tomb Raider, The Shannarah Chronicles, Far Cry 3 und Dark Souls eines Abends, aus einer betrunkenen Laune heraus, in einem großen Haufen Liebe aufgegangen wären? Was, wenn aus diesem Abend, über den Niemand mehr sprechen möchte, ein Kind der reinsten und aufrichtigsten Liebe hervor gegangen wäre? Diese drückende, brennende Frage muss uns nicht weiter quälen, denn dieses Kind ist nun zu uns herabgestiegen und beehrt uns in Form von Sony’s neuem Titel Horizon: Zero Dawn.

Wer hat’s erfunden?

Das holländische Entwicklerteam Guerilla, die sich mit der Killzone-Reihe bereits einen Namen gemacht haben, schicken uns bei Horizon in eine postapokalyptische Welt. Die Menschheit scheint es mal wieder geschafft zu haben, sich mittels unbekannter Meisterleistungen im wahrsten Sinne des Wortes zurück in die Steinzeit zu bomben. Überreste von Wolkenkratzern, Kriegsmaschinerie und Highways zieren die Landschaft, die bereits zu einem großen Teil von der Natur zurück erobert wurde. In das ansonsten idyllische Bild fügen sich allerdings einige neue Erdenbewohner nicht so ganz ein: Die Maschinen. Roboter-Versionen von allerlei Getier, angefangen von Pferden, Gnus oder sogar riesigen Hühnern bis hin zu gigantischen Adlern, Säbelzahntigern oder einem Tyrannosaurus Rex. Was auch immer sie erschaffen hat, es scheint wild in Brehm’s Tierleben geblättert und wahllos STOP gesagt zu haben.

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Ygritte meets Robo-Dinos

Und genau in diese doch sehr paradoxe Welt wurde die kleine Aloy geboren. Ohne einen Anhaltspunkt über ihre Herkunft wurde sie schon als Kleinkind dem von seinem Stamm ausgestoßenen Rost anvertraut. Dieser zieht sie groß und lehrt sie den Umgang mit Pfeil und Bogen, das Überleben in der Wildnis und den Kampf gegen die Maschinen. Doch es wurmt Aloy zunehmend, nicht zu wissen, woher sie stammt. Da kommt es gerade Recht, dass der Stamm jedes Jahr einen Wettstreit abhält, in dem sich die jungen Dörflinge und alle, die dazu gehören wollen, beweisen können. Und wer als erstes die Ziellinie passiert, dem wird ein Wunsch gewährt. Klar, dass sich Aloy nicht zweimal bitten lässt und teilnimmt. Und auch klar, dass nichts so läuft wie geplant.

Nach einem sehr gelungenen Intro, in dem die Grundlagen des Spiels erklärt werden, wird man also in der Rolle von Aloy in eine große, bunte Welt losgelassen, die erforscht, bezwungen und bis ins letzte Eck image3abgeerntet werden will. Und was weiter oben schon angedeutet wurde, bewahrheitet sich im Gameplay vollkommen. Und ist ganz und gar nicht negativ gemeint. Horizon verbindet gekonnt Elemente aus verschiedenen anderen Franchises zu einem sehr gekonnten Spielerlebnis. Das Erforschen der Spielwelt erinnert stark an die neuen Tomb Raider-Spiele, gerade weil an allen Ecken Rohstoffe wie Holz, Pflanzen oder Metallschrott aufgesammelt werden können, die sich dann in einem Crafting-Menü zu Munition für den Bogen, Fallen oder Bomben verwerten lassen. Als Waffe dient zunächst ein Bogen. Insgesamt kann Aloy bis zu vier Waffen tragen, von verschiedenen Bögen über Zwillen, Speerschleudern und Stolperseil-Werfern. All diese Waffen gibt im es im Laufe des Spiels in verschiedenen Qualitätsstufen zu erstehen, die mehr Munitionstypen und sogar Slots für Erweiterungen bieten. Ebenso die Rüstung kann mit Modulen angepasst werden und mit unterschiedlichen Widerständen, Rüstung oder Heimlichkeits-Boni aufwarten. Zusätzlich erhält Aloy noch im Verlauf des Intros ein Relikt aus der Blütezeit der Menschen: Einen Focus. Dieser kleine Knopf im Ohr ermöglicht Scans der Umgebung, der Gegner, enthüllt versteckte Elemente und spürt technische Geräte auf, in denen Hinweise oder Hintergrundinformationen versteckt sind.

Aloys Fähigkeiten lassen sich mit Skillpunkten verfeinern und spezialisieren und somit auf den ganz persönlichen Spielstil anpassen. Schleichen, Nahkampf, Fernkampf, Überlebenskünstler, für jedes Pläsierchen ist gesorgt.

Das Erkunden der Welt an sich findet zunächst zu Fuß statt. Im späteren Verlauf des Spiels ist es aber möglich, sich das eine oder andere Reittier zu ergattern. Weite Distanzen lassen sich per Schnellreise zu Siedlungen oder Lagerfeuern, die überall in der Welt verteilt sind, bequem und schnell überbrücken. Voraussetzung ist, dass diese bereits einmal besucht wurden. Eben diese Lagerfeuer stellen auch die Speicherpunkte dar.

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Die Welt an sich erscheint zunächst komplett frei und offen und ist es in den meisten Fällen auch. Allerdings erreicht man gerade im Gebirge öfter einmal die Grenze und rennt entweder gegen eine unsichtbare Wand oder wird aber zum nächsten Speicherpunkt teleportiert, sollte man sich zu weit außerhalb des Spielbereichs aufhalten. Kletterpartien sind ähnlich wie bei Assassin’s Creed mit der Hilfe von Seilen, Leitern, Felsvorsprüngen und Nischen möglich, die in der Regel reichlich über die Hindernisse der Welt verteilt sind. Abseits dieser Kletterhilfen ist allerdings nicht vorgesehen, dass Aloy in der Vertikalen die Welt erkundet. Allerhöchstens mit geschickten Spam der Sprung-Taste kann es ab und zu gelingen, eine kleine Abkürzung zu nehmen. Spektakulär wird es beim Abseilen von besonders hohen Punkten, bei denen Aloy mit Hilfe eines Kletterhakens einen Sprung in die Tiefe wagt, der denen von Ezio und Co. in Nichts nachsteht.

Das zentrale Element in Horizon: Zereo Dawn ist jedoch der Kampf gegen die Maschinen und etwaige menschliche Widersacher. Lassen sich die nervigen Zweibeiner noch meistens mit gezielten Kopfschüssen sehr leicht ins Nirvana schicken, sieht es bei den Robotern schon ganz anders aus. Die Meisten der Viecher image9verfügen über Panzerplatten, Schutzschilde, Warnschreie oder ein gesundes Rudelverhalten. Kurzum: Hier muss eine wohlüberlegte Taktik her. Da schafft der Focus Abhilfe! Mit einem Scan lässt sich bei jeder Gegnervariante herausfinden, welche Teile zum Beispiel separat zerschossen werden können oder welche Funktion sie haben. Des Weiteren sind Gegner gegen die eine oder andere Schadensart anfällig oder immun und nutzen verschiedene Strategien, um sich ihrer Haut zu erwehren. Der frontale Angriff ist also nur selten auch erfolgsversprechend. Geschickte Fallensteller, die sich ihre Umgebung zunutze machen und im richtigen Moment den entscheidenden Sprengpfeil in den Treibstofftank jagen, werden viel eher mit fetter Beute nach Hause kommen.  Selbst die kleinsten Gegner können so schon ein interessantes Duell liefern, die Königsdisziplin bilden aber nach wie vor die epischen Konfrontationen zwischen Aloy und einem Donnerkiefer, der haushohen Zerstörungsmaschine nach dem Vorbild des Tyrannosaurus Rex. Mit Laseraugen. Und Granatwerfer. Und mehr Lasern. Diese Maschinen haben zuviel Dino Riders gesehen.

Oh, ich sollte nicht vergessen zu erwähnen, dass sich im Laufe des Spiels ein kleines Gerät in den Besitz von Aloy schleicht, mit dem man eventuell Maschinen ein wenig… hacken kann.

Und was wäre ein Rollenspiel ohne einen Appell an die Sammelwut? Im Spiel gibt es eine ganze Menge unnützen Tant zu finden, der an den unmöglichsten Stellen platziert darauf wartet, gefunden zu werden. Ominöse rituelle Gefäße aus Ton, mit Malereien verziert, dienten wohl einst zum Anreichen von heiligen Ölen. Oder einfach nur zum Genuss des morgendlichen Kaffees. Egal, es gibt auf jeden Fall Händler, die für einen Komplettsatz Kaffeebecher eine Menge springen lassen. Ebenfalls im Programm sind Aussichtspunkte, die per Hologramm einen Blick auf die Szenerie vor der Apokalypse erlauben, meist vom Dach eines Wolkenkratzers oder einem Berggipfel aus.

Optisch und Akustisch lässt das Spiel nichts zu wünschen übrig. Die Grafikengine holt alles aus der Playstation raus, was sie zu bieten hat und zaubert vor Allem in 4K eine Augenweide auf den Bildschirm. Wahlweise auch mit der VR-Brille. Der Soundtrack ist eine gelungene orchestrale Untermalung, die je nach Umgebung auch leicht elektronisch umschwingt.

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Ein paar Kratzer im Lack

Ich persönlich habe mit Horizon: Zero Dawn ein Spiel gefunden, das mich endlich mal wieder dazu bringt, mein Leben auf der Couch zu verbringen, soziale Kontakte als überflüssig zu empfinden und mehr als drei Stunden Schlaf als komplette Zeitverschwendung zu belächeln. Kurzum: Suchtpotential über 9000! Einige kleine Anmerkungen habe ich allerdings zu machen:

Das Questsystem lässt leider ein wenig zu wünschen übrig. Es ist zu jedem Zeitpunkt nur möglich, nur eine einzige Quest und einen selbst erstellten Wegpunkt zu verfolgen. Ist eine Quest angewählt, wird der Fortschritt angezeigt und gewertet. Allerdings niemals der einer anderen Quest, die nicht aktiv ist. Da es in Horizon aber zum Beispiel für jede Waffe, die man erhält, eine kleine Tutorial-Quest gibt, die meist beinhaltet, X Gegner mit der Waffe zu töten oder eine Fähigkeit einzusetzen, bleiben diese erstmal unerledigt und stauben fröhlich im Questlog vor sich hin. Obwohl man sie theoretisch schon hundertmal erledigt hätte, würden sie einfach passiv mitverfolgt. So bleibt also nichts Anderes übrig, als jede einzelne Quest abzuarbeiten. Und nicht selten kommt es vor, dass man mit Level 25 über die halbe Karte tuckert, um diese dämliche Quest für den Bogen, den man vor 10 Stufen als Feuerholz genutzt hat, abzuhaken.

Die Art und Weise, wie das Klettern und freie Erkunden der Welt eingeschränkt sind, lässt sich in den meisten Fällen zwar nachvollziehen, aber führt leider immer wieder unweigerlich dazu, dass man an einer Stelle festsitzt oder zumindest während einer Kletterpartie unfreiwillig ein paar Stockwerke nach unten purzelt. Dann wiederum ist es mit etwas Trickserei möglich, selbst die steilsten Abhänge mit etwas Geschick ohne jeden Fallschaden zu absolvieren, obwohl ganz offensichtlich der Abstieg hier nicht möglich sein sollte. Es hat den Anschein, als hätte hier vielleicht etwas mehr Arbeit ins Detail gesteckt werden sollen. Das allerdings sei nur am Rande erwähnt und Meckern auf ganz hohem Niveau.

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Granatenstark, Hoshi!

Unterm Strich ist Horizon: Zero Dawn ein absolutes Brett. Die Story hält einiges an Überraschungen bereit, die Welt ist hervorragend designt und bietet auch nach etlichen Spielstunden immer noch Ecken, die bisher unentdeckt waren. Die Kämpfe sind vom ersten Moment an episch und fordern stets gutes Timing und eine clevere Strategie. Für Jäger und Sammler ist auch mehr als gesorgt. Absolute Kaufempfehlung!

Und noch ein ganz kleiner Tipp am Rande: Schießt jedes verdammte Wildschwein, jeden Fuchs, Waschbär, Hasen, Fisch, Truthahn, jede Ratte über den Haufen, die ihr finden könnt und flickt Euch aus den Überresten größere Taschen! Far Cry 3 lässt grüßen!

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The Witness

12. März 2017 1
3 Comments
  • Gugelhupf 7 Jahren ago

    „Ich persönlich habe mit Horizon: Zero Dawn ein Spiel gefunden, das mich endlich mal wieder dazu bringt, mein Leben auf der Couch zu verbringen, soziale Kontakte als überflüssig zu empfinden und mehr als drei Stunden Schlaf als komplette Zeitverschwendung zu belächeln.“ — Soll das ein Witz sein?! Du machst doch sonst nix anderes!

  • Lisa Speicher 7 Jahren ago

    Wirklich schön geschrieben Ferno 🙂

  • Frau Zimmy 7 Jahren ago

    Ich werde mir das Game auf jeden Fall auch holen <3 Spitzenmäßiger Test, sehr ausführlich und mega sympathisch geschrieben. Man fühlt richtig, wie der Autor richtig Spaß am Zocken hatte. Dankeschön!

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