13. September 2017

Last Day of June

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Wir sind schon immer große Indie-Fans gewesen und lieben es sehr Spiele zu spielen, die uns an die Substanz gehen, uns zum Nachdenken anregen oder uns einfach nur mit einer leeren Tempobox und angeschwollenen Augen zurücklassen. Auf der diesjährigen gamescom wurde uns bei unserem Termin bei 505 Games von Last Day of June berichtet und wir wollten es am liebsten direkt im Anschluss spielen. Mit ein wenig Geduld war es nun endlich soweit und wir konnten uns in das kleine Spiel von Ovosonico stürzen und euch nun berichten, wie es uns gefallen hat.

Ich möchte mein Leben zurück

 

Last Day of June_20170831171017In Last Day of June starten wir in der Rolle von Carl mit einer Szene in der wir fröhlich und verliebt mit unserer großen Liebe June einen Sonnenuntergang vom Bootssteg aus beobachten, ihr eine Blume schenken und die Zweisamkeit genießen.  Beide Figuren besitzen weder einen Mund, noch eine ausgeprägte Nase oder Ohren und auch von ihren Augen sieht man lediglich kleine Höhlen, ähnlich wie bei einer geschnitzten Figur. Dennoch verstehen wir durch ihre Gestik und das auf dem Bildschirm gezeigte alles problemlos und können von Anfang an in das Spiel eintauchen. Doch dieses Schöne und Unbeschwerte findet schon bald ein trauriges Ende. Auf dem Heimweg vom See stirbt June bei einem Autounfall, während wir diesen knapp überleben und von nun an, an den Rollstuhl gefesselt sind. Der Schmerz über diesen Verlust wird uns als Spieler gefühlvoll übermittelt und lässt uns bereits in den ersten Minuten des Spiels die erste Träne vergießen und den Wunsch aufkommen, die Zeit zurückdrehen zu können. Max Caulfield, wo bist du, wenn man dich braucht?

In der nächsten Szene starten wir mit unserem Rollstuhl und einem sichtlich traurigen Carl im Dunklen und erkunden unser Haus, erinnern uns daran, wie es noch mit June gewesen ist und vor allem daran, wie schön und unbeschwert es mit ihr war. In Junes Zeichenzimmer befinden sich mehrere Gemälde, die sie zu Lebzeiten malte. Auf ihnen sind die verschiedenen Dorfbewohner „Das Kind, Die beste Freundin, Der Jäger und Der alte Mann“ zu erkennen. Von nun an ist es unsere Aufgabe zu versuchen, das Geschehene zu verhindern, indem wir in die einzelnen Bilder eintauchen und den Unfall durch das Abändern verschiedener Tätigkeiten der Dorfbewohner zu verhindern. Von Gemälde zu Gemälde spielen wir weitere Möglichkeiten frei, kombinieren die verschiedenen Dinge miteinander und puzzeln weiter und weiter, um unsere June retten zu können und wieder glücklich zu werden.

Umständlich, aber dennoch wunderschön

Wir müssen in Last Day of June einige Kombinationen testen und nachdem, es doch nicht klappte June zu retten, erneut in ein anderes Gemälde eintauchen oder aber das vorher gewählte noch einmal überdenken. Sind wir der Meinung, dass wir die passende Lösung gefunden haben, beenden wir den Tag und sehen die Szene des Autounfalls mit unseren gewählten Veränderungen. Ist der Unfall erneut durch etwas geschehen, dass wir ausgelöst haben? Dann sollten wir diese Entscheidung schleunigst ändern und etwas anderes auswählen. Vielleicht sogar bei einem ganz anderen Dorfbewohner. Hier ist viel Trial and Error oder aber eine gute Vorstellungs- und Puzzlekraft gefragt. Auch verschiedene Tore oder Hindernisse versperren uns an einigen Stellen den Weg, den wir mit einer bestimmten Spielfigur passieren müssen, allerdings nicht weiterkommen – hier kann uns in diesen Fällen ein anderer Dorfbewohner helfen. Somit müssen wir den Tag beenden, den richtigen Bewohner auswählen und beispielsweise das Tor öffnen und anschließend wieder den Tag beenden um erneut die Spielfigur wechseln zu können.

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Leider war es sehr umständlich in jedes Gemälde einzutauchen, den Tag zu beenden, wieder in das nächste Gemälde zu schlüpfen und nicht die Möglichkeit zu besitzen, in der Szene, die man gerade spielt, einfach den Dorfbewohner per Knopfdruck zu wechseln oder wie bei Life is Strange die Zeit ganz klassisch zurückspulen zu können. Mit längerem Spielen wird dies ziemlich umständlich und da man die Zwischensequenz am Ende eines Tages nicht vorspulen oder wegklicken kann, nachdem man sie bereits einige Male gesehen hatte, leider auch etwas nervig. Ich sage bewusst leider, da gerade diese Umständlichkeit trotz der kurzen Spielzeit von 2-4 Stunden bei einigen Spielern dafür sorgen wird, das Spiel abzubrechen und sich etwas „einfacherem“ zu widmen, obwohl Last Day of June eine solch wundervolle Atmosphäre und Gefühl übermittelt.

Der Grafikstil wird für einige von euch wahrscheinlich ziemlich gewöhnungsbedürftig sein. Last Day of June wirkt wie ein gemaltes Bild, das auf der einen Seite sehr farbenfroh und hell, auf der anderen Seite aber auch wieder düster und traurig wirkt – je nachdem, welche Szene wir gerade spielen. Hinzu kommt ein leichter verwischter Effekt, der sich perfekt an den Grafikstil anfügt. Auch die musikalische Untermalung, unter anderem von Steven Wilson, die Geräusche und das Gebrabbel der Dorfbewohner fügt sich zu einem wundervollen Gesamtwerk.

Lisas Fazit

Wow! Lange habe ich bei einem Videospiel nicht mehr so sehr mitgefühlt und geweint, wie bei Last Day of June. Trotz der fehlenden Möglichkeit zwischen den Dorfbewohnern schnell hin und her wechseln zu können und den auf der PS4 etwas längeren Ladezeiten, ließ ich mich nicht kleinkriegen und beendete das Spiel in einem Rutsch. Von der ersten Sekunde an hat mich das Spiel in seinen Bann gezogen und ich fühlte Freude, Trauer und Wut genauso mit, wie Carl es tat. Auch der Grafikstil und die Musik des Spiels verstärkten all dies nur noch mehr und so wird zukünftig wohl die eine oder andere Taschentuchfabrik einen überaus hohen Absatz erzielen, ich empfehle die kuschelweichen, damit ihr keine roten Nasen bekommt. Vertraut mir und kauft euch das Spiel, wenn ihr gefühlstechnisch kein Eisblock seid und auch ruhigere Titel zu euren Vorlieben zählen könnt. Mir hat es einen wunderbaren Nachmittag bereitet und ich bin sehr froh darüber, Last Day of June gespielt zu haben.

Zimmys Fazit

Last Day of June beeindruckt nicht nur von dem ungewöhnlichen Grafikstil, sondern auch von der Erzählweise. Die traurige Geschichte wird bewusst langsam erzählt und die weichen Zeichnungen, der Grafikstil, der ab und an skurril wirkt, aber dennoch in sehr warmen Tönen gesetzt ist, findet sich perfekt im Gesamtbild ein. Ich finde es faszinierend, wenn Spiele ganz ohne Sprachausgabe und Untertitel auskommen. Alleine durch die Gestik der verschiedenen Charaktere wird dem Spieler Emotion vermittelt und die Steuerung geschieht intuitiv und kommt auch mit nur 2 Buttons aus. In Last Day of June handelt es sich um ein Puzzle-Adventurespiel, welches den ähnlichen Tiefgang wie Brothers: A Tale of Two Sons vermittelt. Wir versuchen mit den allen uns verfügbaren Charakteren die Vergangenheit zu manipulieren, sodass wir mit unserem Hauptprotagonisten Carl eine bessere Zukunft erschaffen. Jede ausgeführte Handlung beeinflusst eine andere Reaktion, einen sogenannten Butterfly-Effekt, der einfach nur genial von den Entwicklern erzählt wurde. Einen Minuspunkt hat Last Day of June dennoch zu verbuchen: Switchen wir von einem Charakter zum Nächsten, bekommen wir immer ein kleines Anfangs- und Endszenario gezeigt, welches wir nicht überspringen können. Wenn hier nochmal ein bisschen an den Schrauben gedreht werden würde, wäre das Spiel perfekt. Es könnte aufgrund dessen passieren, dass manche Spieler die Lust verlieren weiterzumachen- aber bitte: Ich flehe Euch an, bleibt am Ball, denn Ihr werdet mit einem Ende und einer Erfahrung belohnt, die ihr unbedingt mitgenommen haben solltet.

Kurzum: Manchmal braucht es nur ein wenig um etwas Großes zu vollbringen. Ich rate Jedem, der Lust auf ein gefühlvolles Spielerlebnis mit Taschentuchgarantie hat, Last Day of June unbedingt zu spielen. Ein Spiel über eine depressive Liebesgeschichte in einem visuell erstaunlichen Paket. Eine schöne, dennoch traurige Spielerfahrung, die das Herz berührt. Danke dafür!

Marens Fazit

Last Day of June ist ein Spiel, auf das man sich wirklich einlassen muss. Hier gibt es keine knallharte Action, sondern pure Emotion. Deshalb bin ich auch mit der entsprechenden Haltung und Erwartung in das Spiel gegangen – und es hat sich ausgezahlt. Last Day of June schafft es ohne jegliche Mimik, ohne ein einziges Wort eine berührende Geschichte zu erzählen. Das finde ich unglaublich beeindruckend. Musik und Farben beherrschen die Atmosphäre und spiegeln die Emotionen des bebrillten Protagonisten und seiner June. Die bittersüße Liebesgeschichte der beiden Hauptcharaktere hat mich von Anfang bis Ende voll in ihren Bann gezogen. Dazu trägt auch die liebevolle Grafik in einer Art Aquarell-Stil bei. Leider muss ich aber einen Minuspunkt dafür geben, dass man einzelne Szenen nicht skippen kann. Da das Spiel davon lebt, dass man verschiedene Spielabschnitte mehrfach durchleben muss (was an sich eine coole Sache ist), empfand ich es als ziemlich nervig, wenn man dazu gezwungen wird, die gleichen Szenen immer und immer wieder ansehen zu müssen. Das zerstört leider die liebevoll aufgebaute Atmosphäre und erfordert eine hohe Frustrationsgrenze. Allein diese Szenen waren der Grund dafür, dass ich das Spiel nicht direkt in einem Zug durchgezockt habe. Denn trotzdem wollte ich die ganze Zeit wissen, wie es weitergeht. Trotz dieser kleinen Schwäche kann ich Last Day of June nur jedem ans Herz legen, der Lust auf ein Spiel mit Tiefgang und Seele hat. Kleiner Tipp: Sorgt für einen guten Vorrat an Taschentüchern.

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