Im Weltall hört Dich Keiner schreien!

Der Weltraum, unendliche Weiten. Doch nicht zu den entferntesten Planeten, sondern zu unserem Nachbarn Mars verschlägt uns die Reise. In einer kuschelig-roten Atmosphäre, im künstlichen Licht der Neonröhren, wandern wir als Techniker Shane Newehart in einer Forschungsstation umher und spielen das Mädchen für Alles, was die gehobene Elite der Wissenschaft nicht selber erledigen möchte. Bei so einem Job könnte man ja glatt wahnsinnig werden. Und ja… genau das passiert auch.. mehr oder weniger. Herzlich Willkommen bei Moons of Madness, einem Horror-Abenteuer von RockPocket Games und Funcom.

Der neue Out-Of-Bed-Look

Kaum haben wir das Abenteuer gestartet, erwartet uns der erste Schock und der wohl größte Horror, dem sich jeder Mensch seit Anbeginn der Zeit stellen muss: Wir müssen aus dem Bett aufstehen. Ein neuer Morgen, ein neuer Arbeitstag. Nur hartgesottene Zocker und Genreveteranen schaffen es über diesen Punkt. Doch irgendwas stimmt nicht mit unserer Raumstation… die Gänge sind verlassen, das Licht flackert und seltsamer schwarzer Bewuchs zieht sich an den Wänden entlang… Viel mehr möchte ich hier von der eigentlichen Story nicht verraten, denn… Spoilers…

Moons of Madness setzt, wie es sich für ein von H.P. Lovecraft inspiriertes Spiel gehört, auf subtilen Horror. Schatten an der Wand, Geräusche und Lichtreflexe deuten an, was in unserem Kopf schnell zu einer Vision des Schreckens wird. Anfangs nur mit einer Taschenlampe ausgerüstet bahnen wir uns einen Weg durch klaustrophobische und spärlich ausgeleuchtete Gänge, in denen Licht und Schatten ein perfides Wechselspiel treiben und unsere Sinne verwirren. Schatten huschen aus dem Augenwinkel und der einzige Kontakt ist ein Techniker-Kollege, den wir über einen Knopf im Ohr hören.

Schockmomente

Das Gameplay von Moons of Madness setzt auf bewährte Mechaniken. Wir als Spieler irren wehrlos und manchmal eher unbeholfen durch die Gänge der Forschungsstation und auch schon einmal im Raumanzug durch die Weiten der Marsoberfläche. Gegenstände wie eine Brechstange können wir zwar aufnehmen, sie dienen allerdings nur als Werkzeug. Einzig und allein eine Taschenlampe ist unser bester Freund, der etwas Licht ins Dunkel bringt. Wird es brenzlig, hilft nur Land gewinnen, am besten mit der Shift-Taste zum Sprint. Glücklicherweise müssen wir mit keiner Stamina haushalten und Shane beeindruckt mit einer echten Pferdelunge. Neben klassischen Elementen nach dem Schema „nimm Gegenstand A und setze ihn an Stelle B ein“ kommen wir ständig bei Rätseln an, die neben logischem Denken und ein wenig Geschicklichkeit auch tatsächlich echtes Kopfrechnen abverlangen. Alle Rätsel sind allerdings in einer räsonablen Zeit zu lösen und gestalten die beklemmende Stimmung der Forschungsstation hervorragend mit. Einige Male müssen wir uns auch außerhalb der Station unseren Weg bahnen und dabei Ordnungsgemäß einen Raumanzug anziehen, Druck und Atmosphäre in einer Luftschleuse wechseln und unseren Anzug mit ausreichend Sauerstoff aus einer Vorratsflasche versorgen. Diese Vorratsflaschen finden sich auch an mehreren Punkten der Außenmissionen und im Fahrzeug, mit dem wir uns zu den einzelnen Stationen außerhalb bewegen. Luftprobleme sind damit also kaum zu erwarten.

Sowohl die Station als auch die Außengebiete sind aufwändig gestaltet und detailreich. Eine Menge Post-Its in der Station dienen wohl als indirekte Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern und Technikern und sorgen nicht nur einmal für ein Schmunzeln. Quasi jedes Klemmbrett, jeder Brief und Zettel kann gelesen werden und gibt Infos über den Hintergrund der Forschungsmission und den Alltag in der Station preis. In jeder Ecke gibt es etwas zu sehen, viele kleine Seitenräume und dunkle Ecken zwischen Felsen laden zum Erkunden ein. Allerdings macht sich hier das Spiel selbst einen Strich durch die Rechnung: Das Design der Levels ist zwar sehr verspielt und vielseitig, der Spielverlauf selbst aber strikt linear und sieht nur eine einzige Route und feste Punkte mit Handlungsmöglichkeiten vor. Ein gutes Beispiel ist hier ein liegengebliebenes Baufahrzeig auf einer Außenmission. Mit dem handlichen Mini-Computer lässt es sich analysieren, die Schäden feststellen, mit einer gefundenen Energiezelle auch wieder aktivieren, die Funktionen durchprobieren, aber nichts davon bringt uns weiter oder hat einen Einfluss auf die Geschichte. Das tut der Story an sich und dem Spielfluss zwar keinen Abbruch, fühlt sich aber etwas fad an, denn man hat immer das Gefühl, dass da noch etwas hätte sein können.

Der Lovecraft’sche Horror stellt sich allmählich ein, langsam und als mulmiges Gefühl, der Schatten aus dem Augenwinkel. Die komplette Einsamkeit auf dem Mars wird hervorragend in Szene gesetzt. Allzu schnell nimmt man die Funksprüche mit Lucas, dem Techniker-Kollegen, als gegeben an und kümmert sich nicht um den Fakt, dass eigentlich niemand sonst in der Station unterwegs ist. Und sollte einmal der Funkkontakt abbrechen, ist man sich seiner Einsamkeit umso mehr bewusst und wird hektisch und paranoid. Erzählungen von Albträumen und Schlafstörungen bei der kompletten Besatzung können da nicht gerade beruhigen. Hilflosigkeit, merkwürdige Geschehnisse und teilweise vollkommene Ignoranz seitens Anderer sind genau die Stilmittel, mit denen sich der subtile Horror langsam aufbaut.

Mit allen Sinnen fürchten

Grafisch kommt Moons of Madness in einem schönen Gewand daher. Die Unreal-Engine sorgt für wunderbar sterile Umgebungen innerhalb der Forschungsstation und zur gleichen Zeit geniale, weitläufige Ansichten der Marsoberfläche, die sich am Horizont im roten Sand verliert. Auch kleine Details lassen sich hervorragend erkennen. Zwar lassen sich sämtliche Texte als Einblendung lesen, sind aber auf den Briefen oder Bildschirmen im Spiel perfekt zu erkennen.

Was leider etwas hinterher hinkt, ist die Darstellung von organischen Objekten, im Speziellen der Tentakel und Auswüchse des schwarzen Befalls in der Station. Kleine Ärmchen und Tentakel winken fleißig und wiegen hin und her, einige große Exemplare dagegen liegen leblos darnieder und angedeutete Augen sind nicht mehr als rot umrandete, dunklere Flecken der „Haut“ des Auswuchses. Hier wurde leider eine Chance verpasst, die fremdartige Substanz noch fremdartiger erscheinen zu lassen. Im späteren Verlauf ändert sich diese Darstellung tatsächlich, lässt aber doch die Frage offen, warum nicht gleich von Anfang an auf eine organischere Darstellung geachtet wurde.

Licht und Schatten sind perfekt in Szene gesetzt und sorgen zusammen mit Nebel und Rauch für das richtige Maß an Paranoia.

Klangtechnisch sorgen vor Allem Hintergrundgeräusche für ein perfektes Ambiente. Knurren, Zischen, Rattern hört man immer wieder und sucht nach Quellen, die diese Geräusche vollkommen rational erklären könnten. Alle Dialoge sind voll vertont und die Sprecher beweisen ihr Können beim Wechsel von bedrückt und leise zu panischem Schreien und Fluchen.

Wer die deutsche Lokalisierung wählt, muss zwar mit englischer Sprachausgabe spielen, erhält aber vollständig deutsche Bildschirmtexte. Allerdings haben sich hier auch in die finale Version einige Rechtschreib- und Grammatikfehler eingeschlichen, die noch einen Durchgang beim Lektorat durchaus ausgemerzt hätte.

Was Howard nicht zu träumen wagte…

Moons of Madness führt den Lovecraft-Mythos um die Großen Alten dahin, wo ihn sein Schöpfer nie sah. Und es funktioniert perfekt! Was anfangs nur leicht daran angelehnt scheint, entwickelt sich nach und nach zu einer Tragödie aus den Abgründen menschlicher Neugier, Größenwahn und dem Greifen nach Mächten, mit denen man niemals hätte in Kontakt treten sollen. Moons of Madness ist ein großartiger Titel für dunkle, kalte Herbstabende, entweder allein oder gemeinsam vor dem Bildschirm. Horror ist schließlich für alle da.

Mit knapp sieben Stunden Spielzeit ist Moons of Madness auch tatsächlich für einen ausgedehnten Gruselabend zu empfehlen. Für ca 25€ eine absolut lohnenswerte Investition, nicht nur für Fans des Chtulhu-Mythos, sondern generell für Freunde des subtilen Horrors.

Ph’nglui mglw’nafh Cthulhu R’lyeh wgah’nagl fhtagn.

 

Moons of Madness erscheint für PS4, Xbox One und PC.

Moons of Madness

7

Wertung

7.0/10
  Review
Next Post

Luigi’s Mansion 3 im Test

11. November 2019 0
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert