19. Februar 2015

The Order: 1886

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Darauf haben wir nun lange gewartet: The Order: 1886 wurde uns schon auf der letzten GamesCom angepriesen und ich kann mich entsinnen, dass ich bereits zu dieser Zeit dachte „Ja, das sieht ziemlich nett aus!“. Also – „nett“ nicht im Sinne von sonnig und idyllisch, aber sowohl die Grafik als auch das generelle Setting und die Aufmachung hatten mich sinnbildlich doch recht schnell am Haken. Ein bisschen Steampunk, ein bisschen Grusel, garniert mit einer Prise Shooter – so oder so ähnlich stellte ich mir die Zutaten von The Order: 1886 vor.

Nun, nach eingehendem Test, stellt sich mir die Frage: Hat sich der erste Eindruck bestätigt? Und wie viel taugt das neuste Machwerk aus dem Hause Ready at Dawn wirklich?
Nun, zunächst einmal umreiße ich euch kurz die Story: Wir befinden uns im historischen London und alles sieht auf den ersten Blick tatsächlich der Zeit entsprechend aus – dunkle, enge Gassen, in denen Jack the Ripper sein Unwesen treibt, die Kleidung unserer Protagonisten enspricht der damaligen Mode.. erst einmal alles in sich stimmig. Gebrochen wird mit diesem Realismus allerdings in sofern, als dass sowohl Bewaffnung als auch generell die Ausstattung unseres Hauptcharakters und seiner Verbündeten für diese Zeit zu modern erscheint. Somit lässt sich das Setting am besten wohl als eine Art alternative Welt, in der eine gewisse Koexistenz zwischen einerseits geschichtlich-angemessener Optik und andererseits moderner technischer Systeme zu bestehen scheint. Der Begriff „Steampunk“ drängt sich hier unweigerlich auf und um ehrlich zu sein, trifft dieser Begriff den Nagel auch weitestgehend auf den Kopf. Trotzdem: Wärend dem Test habe ich eine Achterbahn der Gefühle hinter mir. Ich schwankte zwischen „Is‘ ja arschgeil!“, „WTF?!“ und „Wollt Ihr mich verarschen?“.

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Steampunk a la Jack the Ripper

Der starke Kontrast zwischen neu und alt macht durchaus einen gewissen Reiz aus: Ungeachtet des Gefühls, wirklich durch die historische Wirklichkeit des Londoner Whitechapelbezirks zu wandern, verfügen wir im Laufe des Spiels über drahtlose Kommunikationsmittel und Elektrizität  verschießende Waffen von dem guten Herrn Nikola Tesla itself. Obwohl sich das nicht so anhört, als passe es zusammen, so kommt einem das Zusammenspiel innerhalb von The Order: 1886 doch sehr natürlich und richtig vor – mal ganz abgesehen davon, dass es innerhalb des Spiels natürlich einige interessante Möglichkeiten bietet.
Wir schlüpfen nun also in die Rolle von Galahad, einem gestandenen Ritter, der seines Zeichens Mitglied von „dem Orden“ ist. Dieser Zirkel hat sich der Aufgabe verschworen, die Menschheit vor ihrer aller Feind, als werwolfartig zu bezeichnende Halbmenschen, zu beschützen, doch neben der Bedrohung von außen gefährden auch innere Unruhe innerhalb der Bevölkerung den allgemeinen Frieden. Ein Kampf an mehreren Fronten gleichzeitig, sozusagen.

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Die Charaktere

Schlüpfe in die Rolle von Galahad, einem erfahrenen Fährtenleser und Jäger, dessen Instinkte und Fähigkeiten sich über die Jahre, in denen er gegen Halbblüter kämpft, perfektioniert und im Orden einen legendären Ruf erlangt haben. Abgestumpft und unempfindlich gegen die Gewalt, die er jeden Tag erlebt, ist Galahad der Welt überdrüssig und legt ein ruhiges, cooles und professionelles Verhalten an den Tag.

Sebastian, auch bekannt als Sir Percival, ist der Mentor und langjährige Freund von Galahad sowie einer der wenigen Ritter, die es mit Galahads Stärke und Fähigkeiten aufnehmen können. Als einer der ältesten Ritter des Ordens verlangt er von jedem Respekt und ist auch dazu bereit, das Gesetz zu brechen, wenn es die Situation erfordert.

Isabeau – auch bekannt unter dem Namen Lady Igraine – wurde unter der Führung Galahads zum jüngsten Mitglied, das jemals in den Orden aufgenommen wurde. Sie ist eines der fähigsten und eigensinnigsten Mitglieder der Ritter; und ihr Respekt für Galahad beruht auf Gegenseitigkeit, auch wenn sie Konkurrenten sind.

Lafayette wurde wegen seines taktischen Verstandes im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und in der Französischen Revolution rekrutiert. Er ist Sir Percivals Lehrling und ein unschätzbares Mitglied seines Trupps. Bisweilen ungestüm, kennt seine Hingabe für die Freiheit fast keine Grenzen.

Kleider machen Ritter

Nun gut, das Setting kann soweit schon einmal überzeugen, doch wie sieht es mit dem Rest des Spiels aus? Optisch gibt es wirklich nicht viel zu mosern: Abgesehen von einer allgemeinen – zugegebenermaßen aber auch zum viktorianischen London passend – Dunkelheit in den verwinkelten Gassen haben wir es mit einer größtenteils gestochen scharfen Grafik zu tun, in der verwaschene Texturen Seltenheitswert haben. Zusätzlich wurde bei der Gesichtsanimation großer Aufwand betrieben, der sich nun im Endprodukt absolut bezahlt macht – realistisch echte Mimik und Gestik lässt zeitweilen das Gefühl aufkommen, man würde einen Film sehen. Ich erinnere an dieser Stelle an einen Kevin Spacey, der in Call of Duty Advanced Warfare ziemlich blass und leblos rüberkam. Da hilft auch kein Schauspieler aus Hollywood, ein Spiel besser aussehen zu lassen, als es ist. Dies werdet Ihr in The Order: 1886 nicht vorfinden.

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And the Oscar goes to…

Das mit dem Kinogängergefühl ist allerdings so eine Sache, denn es ist nicht nur die Optik, die uns so empfinden lässt: Die Spielzeit insgesamt beträgt rund 7 Stunden bei unaufgeregtem Vorgehen und im Rückblick fühlt es sich nun an, als wäre fast die Hälfte dieses Zeitraums mit Zwischensequenzen oder kleinen Quicktime Events gefüllt gewesen. Sicher, gerade in den Zwischensequenzen kann The Order: 1886 natürlich ein visuelles Feuerwerk zünden, doch letztlich verlieren wir in der dichten Abfolge der narrativen Sequenzen irgendwann gefühlsmäßig den Faden. Wir sind Zuschauer, schaffen es aber nicht, uns als aktiven Teil des Geschehens wahrzunehmen. Was mich wirklich stört ist die Bildschmälerung auf 16:9, wie es auch bei The Evil Within der Fall war. Warum nicht den Ganzen Bildschirm ausnutzen, Atmosphäre hin oder her. Auf YouTube wurde vorab eine komplette Spielsession geleakt, die fünfeinhalb Stunden dauerte. Unter dem Video entstand eine hitzige Diskussion über Spieldauer. Tut euch bitte selbst den Gefallen und schaut Euch sowas nicht an. Klar bewerte ich auch ein Spiel nach Dauer und Kaufpreis, wenn ich jedoch während einer kurzen Spielzeit vollends unterhalten werde, das Gameplay dufte ist, oder die Story ausgezeichnet, habe ich persönlich kein Problem damit.

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Auch die Szenen, in den aktiv mit der Schusswaffe hantiert werden muss, kommen eher stockend in Gang. Zwar macht das temporäre Besitzen spezieller Waffen durchaus Freude, insgesamt fühlt sich The Order: 1886 in Hinblick auf seine Shooter-Qualitäten allerdings etwas schwerfällig an. Funktional, aber ohne jede Leichtigkeit! Achtung Granate! Zurückwerfen? Keine Chance! Wir können Ihr lediglich auf X ausweichen. Leider fühlen sich die Blend- und Splittergranaten nicht ganz so wuchtig an wie in The Last of Us, sondern behinderten hier und da sogar meinen Kampf. Wenn wir von einer massiven Gegnerwelle ins Kreuzfeuer geworfen werden hilft nur eine Bullettime a la Max Payne, die Schwarzsicht, um sich aus dem Gemenge seinen Weg freizuschießen.

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Ähnlich ausbremsend erscheint der Umstand, dass die Levelführung in jedweder Hinsicht ausgesprochen stark linear ausgerichtet ist. Offene Türen an allen Ecken und Enden gaukeln uns eine offene Welt vor, doch letztlich ist das alles nur Trug und Schein. Hier gibt es zwar regelmäßig meines Erachtens sinnlose sammelbare Gegenstände (Audiologs und Zeitungen) zu entdecken, doch danach sehen wir uns oft genug mit einer Sackgasse konfrontiert. Im Gegenteil – dadurch, dass wir durch die Räumlichkeit fast nur durchgeschleust werden, kann es sogar passieren, dass wir versteckte Gegenstände in besagten Sackgassen gar nicht einsammeln. Sehr ärgerlich, zwingt einen das doch dazu, jeden noch so uninteressanten Raum ablaufen zu müssen – immer in der bangen Hoffnung, nicht ausversehen an diesem Punkt schon in die nächste Anordnung von Räumen bugsiert zu werden.

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Ab mit dem Kopf

Ich vermisse leider auch Bosskämpfe. Also so richtige Bosskämpfe. Hier und da gibt es mal einen ansehnlichen Kampf mit einem Werwolf, den man aber rein mit Quicktime und Knöpfchen im richtigen Moment drücken den gar aus macht. Schade. Doch warum ein 18er Rating? The Order: 1886 ist brutaler als man eigentlich denkt. Hier und da kann man die gegnerischen Köpfe zum Platzen bringen, ihnen einen Langdolch in den Hals rammen, oder Schleichtötungen ausführen. Schleichtötungen? Man pirscht sich hinterrücks an einen Gegner ran und wartet, bis das Dreieckssymbol ausgefüllt ist und dann BAMM! Leider hat man hier vergessen, eine Option der Leichenentsorgung einzuführen. Die Wachen stehen daneben und schauen zu. Warum darf ich als Spieler eigentlich nicht entscheiden, wann ich welche Attacke ausführe? Das sind leider Brüche im Spieldesign, die vermeidbar gewesen wären.

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Ein bisschen mehr Freiheit hätte dem Spiel in dieser Hinsicht gut getan – zumal die interessante Aufmachung durchaus zum Forschen einladen würde. Interessant jedoch ist auch die dem Spiel zugrunde liegende Story, die – nicht zuletzt auch vorangetrieben durch eine große Anzahl an Zwischensequenzen – durchaus zu fesseln weiß und den schlichten, rechtfertigenden Plot definitiv übertrifft. Trotzdem bleibt The Order: 1886 in meinen Augen hinter den Erwartungen zurück, ohne jedoch völlig zu enttäuschen.

 

FAZIT

The Order: 1886 bietet uns optisch und auch unter cineastischen Gesichtspunkten ein wahres Feuerwerk – fußend auf einer interessanten Story, die wahre Begebenheiten und historische Figuren mit Fiktion zu verflechten weiß und uns von Beginn an dazu bewegt, mehr erfahren zu wollen. Rein spielerisch betrachtet und in punkto Wiederspielwert jedoch steckt das Spiel uns in ein enges Korsett aus schlauchartig angeordneten Räumen und wenig Spielraum in Sachen Entscheidungsfindung. Wir fühlen uns gegängelt, eingeengt vielleicht – eine weniger lineare Spielführung hätte uns hier mehr Luft zum Atmen gelassen. Nichts desto trotz bleibt The Order: 1886 keineswegs gänzlich hinter den Erwartungen zurück – eine sehr starke visuelle Präsentation gepaart mit dezent schwergängigem Gameplay ergibt am Ende immer noch ein grundsolides Spiel.

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2. März 2015 1
6 Comments
  • Gurki 9 Jahren ago

    hmm sieht schon geil aus. wenn da aber nicht viel dahinter steckt dann ist das schade. schön geschrieben 🙂

  • Blue 9 Jahren ago

    Dein Test spricht mir aus der Seele. Ging mir ganz genauso und deine Meinung kann ich unterschreiben.

  • Mützi 9 Jahren ago

    Ich hol mir das in ein paar Monaten. Könnte Spaß machen, nur noch ist es mir dafür viel zu teuer.

  • Evo 9 Jahren ago

    Zu wenig Test für zuviel Spiel. Der Autor hat ein Wahrnehmungsproblem. Der Spieler ist jederzeit Teil des Geschehens in einem interaktiven Film der durch seine Storytiefe überzeugt. Schlauchartige Level entschleunigen das Spiel nicht wie beschrieben sondern Beschleunigen sie. Sammelbare Gegenstände tragen enorm zur Spieltiefe. Zeitungsartikel über das geschehen aus Sicht der nicht einweihten zeigen dem Spieler wie die Bevölkerung die Umstände wahrnimmt. Audiogramme erzählen darüber hinaus noch mehr. Und wenn man sich diese auch durchliest und an hört kommt man auch auf mehr als 7h Spielzeit (du Banause). Feuergefechte sind nur für Shooterleihen ein Problem hier fällt lediglich die etwas dumme KI negativ ins Auge die es zu keinem Zeitpunkt schafft den Spieler in Bedrängnis zu bringen. Minispiele wie Teslas Gleichstromkiller oder Schlösserknacken wie in Splinter Cell sind mit bedacht eingesetzt, ebenso die QuickTime Events.
    Fazit: Story bietet Kinofeeling selbst mit deutscher Syncro. Gameplay ist flüssig und einfach zu verstehen. Die Spielwelt ist zwar nicht offen aber Detailreich und glaubhaft. Grafikbombe der nextGen. Negativ fällt lediglich die schwache gegner KI auf.

    • Quinn 9 Jahren ago

      Lieber Evo,
      ich hoffe, dass dein Name kein Kürzel für „Evolutionsbremse“ darstellt – denn, als eben solche, ist es dir anscheinend entgangen, dass ein Test grundsätzlich eine subjektive Sache ist und eine gewisse Meinungsfreiheit nun schon einige Jahre in unserem Grundgesetz verankert ist. Mag sein, dass dieses Spiel dein ultimativer feuchter Traum in Form einer Disk gepresst ist (erfreulich!), aber die Autorin ist kein „Banause“, weil er mit dem Spiel schneller durch war/nicht alles akribisch untersucht hat/mit dem Titel nicht rundheraus warm wurde.

    • Mützi 9 Jahren ago

      Ooooh ein Fanboy!

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