Fazit
Trüberbrook ist ein Point and Click-Adventure, das nicht nur visuell, sondern vor allem auch gameplay-technisch überzeugt. Elemente wie das lästig-sinnlose Herumprobieren von Items und Kombinationsmöglichkeiten im Inventar, die mir selbst Genre-Kulthits wie Monkey Island oder Discworld gehörig vermiest haben, entfallen völlig. Zugegeben, das macht das Spiel deutlich einfacher, aber gerade im späteren Spielverlauf stößt man dennoch auf knifflige Rätsel, die den eigenen Grips gehörig fordern, indem bestimmte Gegenstände beispielsweise in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert werden müssen. Die Monologe von Tannhauser sowie die Dialoge mit der überschaubaren Anzahl von Dorfbewohnern sind sicher nicht so comichaft albern wie in oben genannten Genre-Kollegen, allerdings auch nicht so ernst wie in einem Baphomets Fluch. Der Humor ist dezenter, geschmückt von einigen Anspielungen („Zimmer 4: Tourist auf der Durchreise, Zimmer 5: Sein Gepäck, eine große Truhe auf 4 Füßen“) und doch mit einigen Figuren und Momenten ausgelegt, die Kultpotenzial haben – sei es der alte Dorfbewohner im Kaiser Wilhelm-Look, der einen Fuchs für seinen Kater Klaus hält, der Arzt mit den nicht enden wollenden und an den Haaren herbei gezogenen Diagnosen sowie die Wanderin, deren eigensinnige Sprechweise ihrem weiten Blick in die Ferne entspricht. Auch sehr kreativ wurden Kickstarter-Backer ins Spiel eingebaut, die mehr als 60 Euro investiert haben – ihre Namen tauchen auf Buchrücken auf, als Unterschriften unter Karikaturen oder in Gästebüchern.
Die aufwändige Gestaltung der Grafik durch den Prozess der Photogrammetrie ist äußerst beeindruckend, die tatsächlich hineingeflossene Arbeit geht in meinen Augen aber bedauerlicherweise im Rahmen der Digitalisierung etwas verloren, sodass man ohne das entsprechende Hintergrundwissen kaum auf den Gedanken kommen wird, dass sich der langnäsige Protagonist durch real existierende Miniatursets bewegt. So oder so wird aber jedem Spieler auffallen, dass das Game wirklich hervorragend aussieht und großartige Stimmungen vermittelt. Auch sehr lobenswert möchte ich die Charakteranimationen hervorheben – hier spart man in einigen Produktionen gerne mal Bewegungen ein beim Items-Aufheben oder sonstigem Interagieren, aber Trüberbrook blendet das Bild beim Heraufklettern eines Seils oder einer Leiter nicht aus, sondern hat Tannhausers Bewegungen dafür eigens animiert.
Last but not least muss man natürlich noch ein paar Worte zu den namhaften deutschen Sprechern verlieren, worunter auch Show-Moderator Jan Böhmermann oder Schauspielerin Nora Tschirner fallen, die zuletzt auch die deutsche Stimme der jungen Lara Croft in Tomb Raider übernommen hat. Alle, speziell die etwas markanteren Nebenfiguren, kommen gerade durch ihre Stimmen sehr gut zur Geltung und für die englische Sprachausgabe hat man einige der Sprecher beibehalten, sodass viele Dialoge durchzogen sind von fürchterlich ausgeprägten, deutschen Akzenten. Mir persönlich kräuseln sich dabei die Fußnägel und ich hätte in dem Fall auf das authentische Deutschlanderlebnis gut verzichten können, aber das ist letztlich Geschmackssache.
Nettes Gimmick für Zockerfamilien: Bei aktiviertem Kindermodus stellen die Charaktere im Spiel z.B. das Rauchen ein – so unrealistisch das für die 60er auch sein mag.
Trüberbrook ist also ein spielerisch großartiges, modernes Point and Click-Adventure mit vielen markanten Momenten, liebenswerten Charakteren, umwerfender Optik sowie einer spannenden Mystery-Geschichte, die die Produzenten als Mischung aus Twin Peaks und Akte X bezeichnen. Es ist sicher leichter als die klassischen Genre-Kollegen, die jeder kennt – und das ist auch gut so – gerade im späteren Spielverlauf aber alles andere als zu leicht. Jetzt schon eine echte Perle der deutschen Videospielgeschichte, die wir zweifelsohne als unser Aushängeschild in der internationalen Branche benutzen dürfen.
Trüberbrook erscheint am 12.03.2019 für PC und Mac, Heimkonsolen müssen sich noch bis April gedulden.