11. März 2019

Trüberbrook

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Seit 2015 arbeitete das deutsche Unternehmen bildundtonfabrik an dem Point and Click-Adventure, finanzierte sich u.a. durch Spiele zu Jan Böhmermanns Fernsehsendung Neo Magazin Royale, die gleichzeitig als Testprojekte für Trüberbrook dienten und durch eine erfolgreiche Kickstarter-Kampagne, die mit 5.000 Unterstützern über 100.000 Euro mehr einbrachte als das gesetzte Ziel.

Inhalt

Der amerikanische Quantenphysiker Hans Tannhauser gewinnt in den 1960ern in einem Preisausschreiben, an dem er überhaupt nicht teilgenommen hat und darf seinen familiären Wurzeln nach Deutschland folgen, in das abgelegene Dörfchen Trüberbrook. Dummerweise wird ihm gleich in seiner ersten Nacht dort von einer geisterhaften Erscheinung der wissenschaftliche Aufsatz gestohlen, an dem er in seinem Urlaub arbeiten wollte. Auf der Suche nach dem Dieb trifft Tannhauser auf die junge Frau Gretchen, die das düstere Geheimnis der alten Minenstadt aufdecken möchte, woraufhin die beiden sich zusammentun und schnell feststellen: Trüberbrook ist gar nicht so ruhig und langweilig, wie es zunächst den Anschein macht…

Gameplay

Trüberbrook ist ein klassisches Point and Click-Adventure, das aber einiges deutlich besser macht als seine bisherigen Genre-Kollegen. Mithilfe des Cursors navigiert man durch die aktuelle Umgebung, per Mausklick wandert Tannhauser zum angedeuteten Platz. Dinge, mit denen er interagieren kann, leuchten mit einer auffälligen Umrandung auf, sobald die Maus darüberfährt und beim Anklicken erscheint ein Auswahlrad. Im Regelfall kann das entsprechende Objekt nur angesehen werden, worauf der Point and Click-übliche Kommentar des Protagonisten dazu folgt, manchmal lässt sich damit auch tatsächlich interagieren. In einigen Fällen kommt das Zahnradsymbol zur Geltung, wenn Dinge aus dem Inventar auf das Objekt angewandt werden können und natürlich kann man Personen ansprechen, woraufhin ein Dialog startet, der ebenfalls einige Auswahlmöglichkeiten mit sich bringt.

Besonders angenehm am Gameplay sind einige Mechaniken, die dem Spieler das Leben gehörig einfacher machen. Zum einen genügt ein simpler Doppelklick auf eine Stelle, um Tannhauser schneller laufen zu lassen – leider funktioniert das nur beim Anklicken von leerem Boden, nicht beim deutlich häufigeren Anwählen eines Gegenstandes oder eines Durchgangs, auf den Tannhauser anschließend automatisch zugeht. Beim Gedrückthalten der Leertaste werden alle Punkte in der Umgebung angezeigt, mit denen eine Interaktion möglich ist und gerade bei dunklen Objekten, die noch dazu im Schatten stehen, ist das eine unheimlich nützliche Funktion. Am besten hat mir aber gefallen, dass es kein sinnloses Herumprobieren und Kombinieren mit Inventar-Items mehr gibt. Wird ein Gegenstand aufgesammelt, wandert dieser als eindeutiges Piktogramm ins Inventar, das man sich zwar anzeigen lassen, damit aber nicht weiter interagieren kann. Es gibt keine Beschreibungen zu den einzelnen Items und man kann diese auch nicht manuell anwählen – ist ein Umgebungsobjekt mit etwas aus dem Inventar kompatibel, wird dies automatisch angezeigt. Ebenso selbstständig und unkompliziert funktioniert kombinieren.

Am Rand einiger Orte oder einfach durch die offene Tür lässt sich ein Bereich verlassen und ein neuer betreten. Im späteren Spielverlauf erhält man auch eine Karte, mit der eine Schnellreise zwischen den bereits besuchten Orten möglich ist.

Grafik

Ein ganz besonderes Alleinstellungsmerkmal von Trüberbrook ist tatsächlich die Art und Weise, wie das Spiel auf die Beine gestellt wurde. Sämtliche Schauplätze wurden in der Werkstatt des Produktionsunternehmens in Handarbeit aufgebaut und mithilfe von Photogrammetrie digitalisiert. Mit verschiedenen Belichtungen imitierte man Tageszeiten und Wetterbedingungen oder simuliert mit Umdekorierungen ganze Jahreszeitenwechsel. Das Ergebnis ist eine wirklich beeindruckende, malerische Grafik, die durchweg überzeugt, in der die Produktionsvorgeschichte allerdings ein wenig verloren geht. Mit dem Produktionshintergrundwissen erscheint es einem fast schade, dass die physischen Sets digitalisiert wurden und wenn auch auf ihre eigene Art doch eben digital wirken. Allerdings merkt man schnell wie viel Zeit und Detailliebe allein in die verschiedenen Lichtspiele geflossen sind, die alles letztlich doch wieder deutlich echter erscheinen lassen. Stellenweise wünscht man sich schon, dass Deutschland tatsächlich so schön wäre.

Fazit

Trüberbrook ist ein Point and Click-Adventure, das nicht nur visuell, sondern vor allem auch gameplay-technisch überzeugt. Elemente wie das lästig-sinnlose Herumprobieren von Items und Kombinationsmöglichkeiten im Inventar, die mir selbst Genre-Kulthits wie Monkey Island oder Discworld gehörig vermiest haben, entfallen völlig. Zugegeben, das macht das Spiel deutlich einfacher, aber gerade im späteren Spielverlauf stößt man dennoch auf knifflige Rätsel, die den eigenen Grips gehörig fordern, indem bestimmte Gegenstände beispielsweise in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert werden müssen. Die Monologe von Tannhauser sowie die Dialoge mit der überschaubaren Anzahl von Dorfbewohnern sind sicher nicht so comichaft albern wie in oben genannten Genre-Kollegen, allerdings auch nicht so ernst wie in einem Baphomets Fluch. Der Humor ist dezenter, geschmückt von einigen Anspielungen („Zimmer 4: Tourist auf der Durchreise, Zimmer 5: Sein Gepäck, eine große Truhe auf 4 Füßen“) und doch mit einigen Figuren und Momenten ausgelegt, die Kultpotenzial haben – sei es der alte Dorfbewohner im Kaiser Wilhelm-Look, der einen Fuchs für seinen Kater Klaus hält, der Arzt mit den nicht enden wollenden und an den Haaren herbei gezogenen Diagnosen sowie die Wanderin, deren eigensinnige Sprechweise ihrem weiten Blick in die Ferne entspricht. Auch sehr kreativ wurden Kickstarter-Backer ins Spiel eingebaut, die mehr als 60 Euro investiert haben – ihre Namen tauchen auf Buchrücken auf, als Unterschriften unter Karikaturen oder in Gästebüchern.

Die aufwändige Gestaltung der Grafik durch den Prozess der Photogrammetrie ist äußerst beeindruckend, die tatsächlich hineingeflossene Arbeit geht in meinen Augen aber bedauerlicherweise im Rahmen der Digitalisierung etwas verloren, sodass man ohne das entsprechende Hintergrundwissen kaum auf den Gedanken kommen wird, dass sich der langnäsige Protagonist durch real existierende Miniatursets bewegt. So oder so wird aber jedem Spieler auffallen, dass das Game wirklich hervorragend aussieht und großartige Stimmungen vermittelt. Auch sehr lobenswert möchte ich die Charakteranimationen hervorheben – hier spart man in einigen Produktionen gerne mal Bewegungen ein beim Items-Aufheben oder sonstigem Interagieren, aber Trüberbrook blendet das Bild beim Heraufklettern eines Seils oder einer Leiter nicht aus, sondern hat Tannhausers Bewegungen dafür eigens animiert.

Last but not least muss man natürlich noch ein paar Worte zu den namhaften deutschen Sprechern verlieren, worunter auch Show-Moderator Jan Böhmermann oder Schauspielerin Nora Tschirner fallen, die zuletzt auch die deutsche Stimme der jungen Lara Croft in Tomb Raider übernommen hat. Alle, speziell die etwas markanteren Nebenfiguren, kommen gerade durch ihre Stimmen sehr gut zur Geltung und für die englische Sprachausgabe hat man einige der Sprecher beibehalten, sodass viele Dialoge durchzogen sind von fürchterlich ausgeprägten, deutschen Akzenten. Mir persönlich kräuseln sich dabei die Fußnägel und ich hätte in dem Fall auf das authentische Deutschlanderlebnis gut verzichten können, aber das ist letztlich Geschmackssache.

Nettes Gimmick für Zockerfamilien: Bei aktiviertem Kindermodus stellen die Charaktere im Spiel z.B. das Rauchen ein – so unrealistisch das für die 60er auch sein mag.

Trüberbrook ist also ein spielerisch großartiges, modernes Point and Click-Adventure mit vielen markanten Momenten, liebenswerten Charakteren, umwerfender Optik sowie einer spannenden Mystery-Geschichte, die die Produzenten als Mischung aus Twin Peaks und Akte X bezeichnen. Es ist sicher leichter als die klassischen Genre-Kollegen, die jeder kennt – und das ist auch gut so – gerade im späteren Spielverlauf aber alles andere als zu leicht. Jetzt schon eine echte Perle der deutschen Videospielgeschichte, die wir zweifelsohne als unser Aushängeschild in der internationalen Branche benutzen dürfen.

Trüberbrook erscheint am 12.03.2019 für PC und Mac, Heimkonsolen müssen sich noch bis April gedulden.

Wertung

8.9

Wertung

8.9/10
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