Der psychodelische Horrortrip wechselt auf die Heimcomputer

Anfang 2013 schlich sich ein kleines Adventure-Game auf die iOS-Plattformen, welches für Aufsehen und gute Kritiken sorgte. Year Walk entstammt den Tastaturen des schwedischen Entwicklerteams Simogo, und Schweden ist auch ein großer Einfluss des Konzepts. Das Spiel beschäftigt sich mit einer Zeit, in der Männer sich einer traditionellen Prüfung stellten. Sie verschanzten sich im Winter in ihren Hütten, verweilten dort ohne Essen und Trinken, um sich letztendlich auf eine Reise durch den hohen Schnee zu begeben, auf der Suche nach sich selbst und dem Platz in der Zukunft. Mit der Veröffentlichung auf Steam kommen nun auch PC- und Mac-Besitzer in den Genuss dieses Trips.

Gameplay zwischen Nostalgie und Esoterik

Year Walk ist ein klassisches Adventure auf den Spuren von Myst oder Zork. Die Bewegung erfolgt auf einer X-Achse, auf der man sich mit ‚A‘ und ‚D‘ bis zu einem bestimmten Grad umsehen kann. An vorgegebenen Stellen wechselt man mit ‚W‘ und ‚S‘ in eine vordere- oder zurückliegende Ebene. Ein Cursor erledigt das Übrige, wobei der iOS-Ursprung klar erkennbar ist und viele Interaktionen durch wischen ausgeführt werden. Trotzdem wurde die Steuerung perfekt auf die Maus portiert. Um nicht den Überblick zu verlieren, gibt es eine Karte die auch notwendig ist, um sich nicht in der Mindmap aus den verschiedenen, verbundenen Ebenen zu verlieren und auch dortige Hinweise wiederzufinden. Eine Enzyklopädie versorgt uns mit Infos über die mystischen Kreaturen, die in Year Walk anzutreffen sind und auf schwedischer Mythologie basieren. Eins sollte im Vorfeld klar sein. Year Walk ist karg, trist, kalt und geheimnisvoll, was sich ebenfalls auf die Rätsel auswirkt. Es gibt keine nennenswerten Dialoge und Anweisungen und so ist der Spieler auf sich allein gestellt, in dem Spiel voran zu kommen. Man muss sich auf seine Instinkte und Neugier verlassen und die Augen stets nach Hinweisen offen halten. Obwohl die meisten Rätsel intuitiv sind, gibt es auch einige Momente, in denen spielerisches Ausprobieren zum Ziel verhilft. Falls alle Stricke reißen, enthält das Spiel jedoch eine eigene, eingebaute Komplettlösung, die automatisch Auskunft über den nächsten Schritt gibt. Positiv ist, dass es sich hierbei um einzelne, verdeckte Hinweise handelt, so dass der Spieler stets die Wahl zwischen einem seichten Tipp oder der vollen Lösung hat. In Anbetracht der Tatsache, dass Year Walk bei völliger Klarheit über die Rätsel eine Spielzeit von ca. 60 Minuten hat, sollte die Lösung nicht allzu oft verwendet werden.

Stille, Kälte, Dunkelheit

Das grafische Design ist das tragende Element hinter dem Konzept des Spiels. Year Walk hält sich an eine abstrakte 2D-Darstellung, die einem düsteren Bilderbuch entstammen könnte und einen Hauch von Tim Burton enthält. Die Animationen von Figuren und Objekten erinnern an Scherenschnitttechnik, das Parallax-Scrolling während der Bewegung sorgt für eine authentische Tiefe. Ganz selten, werden 3D-Modelle für die Darstellung von Objekten verwendet, die sich jedoch nahtlos in das 2D-Design einfügen. Das Gefühl von Isolation und Beklemmung wird das komplette Spiel hindurch aufrechterhalten, gepaart mit einigen Horror- und Schockmomenten. Ebenso empfiehlt es sich, sich auf die Kultur und den mythischen Hintergrund einzulassen. Die Texte der Enzyklopädie erzählen von schaurigen Sagen und Legenden, welche die an sich schon angespannte Atmosphäre des Spiels unterstreichen. Die Geräuschkulisse aus realistischen Fußstapfen im Schnee oder knarrenden Zahnrädern, dem Heulen des Winds, bis hin zu esoterischen Klängen kann überzeugen. Alles in Allem ist Year Walk trotz der minimalistischen Technik, ein künstlerisches Erlebnis für die Sinne.

Fazit

Year Walk ist ein schönes Beispiel dafür, welche unterschiedlichen Möglichkeiten Videospiele bieten, um Geschichten zu erzählen oder Erlebnisse zu vermitteln. Der Mix aus kalter Atmosphäre mit mysteriösen Rätseln und dem Drang in dieser gruseligen Kulisse weiter zu forschen, geht auf, sofern man den Willen besitzt, sich darauf einzulassen und die ca. 5 Euro für eine derartig kurze Spielzeit entbehren kann. Ich selbst hätte gerne noch mindestens eine weitere Stunde angehängt, bin aber dennoch froh dieses kleine Kunstwerk nun endlich nachgeholt zu haben, auch wenn ich eine Session mit einem iOS-Gerät mit Bett, während einer kalten, dunklen Winternacht gerne gegen das Spielen am PC eingetauscht hätte.

Vielen Dank an Gastautor Fabian Anderer (Rainer Schauder) für diesen Test!

Next Post

Yoshi’s New Island

19. März 2014 0
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert