12. April 2021

Ready Player Two – Roman

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Die virtuelle Realität ist zurück!

Unmittelbar nach den Geschehnissen des grandiosen ersten Bandes, der sogar Steven Spielberg persönlich hervorgelockt hat, um die Geschichte zu verfilmen, setzt die Fortsetzung von Autor Ernest Cline an.

In einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die Erde schlimmer denn je mit Kriegen, Hungersnöten und einem kollabierenden Ökosystem zu kämpfen hat, flüchtet sich die Menschheit bevorzugt in die OASIS, ein ganzes virtuelles Universum, in dem man mithilfe von VR-Brillen nahezu sein gesamtes Leben verbringen kann. Das wurde dem Protagonisten Wade Watts zum Vorteil, der mithilfe seiner Freunde den großen, legendären Wettbewerb gewann, der vom OASIS-Schöpfer nach dessen Tod ausgerufen wurde und dessen Preis der Besitz dieser virtuellen Welt und der dahinterstehenden Firma war.

Vieles hat sich dadurch geändert. Wade oder Parzival, wie er in der OASIS genannt wird, wurde über Nacht berühmt und reicher als jeder andere Mensch auf der Welt. Mit dem Erfolg und der Allmacht im virtuellen Universum änderte sich aber auch sein Charakter – und das nicht unbedingt zum Besseren. Den sogenannten Trollen, die im Internet über ihn herziehen, macht er kurzentschlossen den Gar aus und befeuert ihre Hasstiraden noch mehr. Seine besten Freunde, die erst vor kurzem noch an seiner Seite gestanden hatten, um mit ihm zu kämpfen, haben sich inzwischen in ihre eigenen Leben zurückgezogen und scheinen nur noch aus Höflichkeit mit ihm befreundet zu sein. Selbst seine kurzlebige Beziehung mit Samantha / Art3mis hat er geradewegs in den Graben gefahren und war trotz all seinen Geldes ein weiteres Mal so einsam und allein, wie er es schon als Kind in den Slums gewesen war.

Der verstorbene OASIS-Schöpfer Halliday allerdings wird erneut zur Ursache dafür, dass Wades gesamtes Leben über den Haufen geworfen wird. Ihm persönlich als Erbe wird auch eine unglaubliche Technologie eröffnet, deren Veröffentlichung und eventuell damit verbundene Konsequenzen in die Hände von Wade gelegt werden. Der nächste Schritt der Digitalisierung, die komplette Immersion. Controller werden überflüssig, denn fortan steuert man seinen Avatar nur noch mit seinen Gedanken, spürt alles, was das Computerprogramm einen spüren lässt, riecht und schmeckt sogar. Eine technische Revolution, die sich verbreitet wie ein Lauffeuer. Und die die gesamte Menschheit in Gefahr bringt.

Nachdem die Technik zum neuen Maß der Dinge wurde und in jedem Winkel der Welt Fuß gefasst hatte, bricht das Chaos los. Auf Hallidays alter Website erscheint, ganz wie damals, ein neues Rätsel, das zu einer brandneuen Schatzsuche in der OASIS aufruft, wo die sieben Scherben der Sirene versteckt sein sollen. Wade stürzt sich wie Millionen anderer User direkt auf die Quest, wenn auch nicht annähernd mit demselben Antrieb wie auf der Jagd nach dem Easter Egg. Erst als jemand einen Großteil der Erdbevölkerung als Geisel nimmt, wird er zum Handeln gezwungen und hat nicht mehr als zwölf Stunden Zeit das Spiel zu beenden…

Parzival: Vom Weltenretter zum Unsympathen

Eine herbe Enttäuschung für mich war auf jeden Fall direkt der Protagonist Wade, bzw. Parzival. Nachdem er sich im ersten Band aus den niedersten Lebensumständen verbissen herausgearbeitet hat, ist er hier einfach nur noch ein trauriger Witz seiner Selbst. Allein der Umstand, dass er seine endlich erreichte Liebesbeziehung mit Art3mis derart zugunsten des virtuellen Lebens vernachlässigt, nachdem er am Ende des ersten Bandes eigentlich bereits die Moral gelernt hatte, dass das richtige Leben auch in der Realität stattfindet, ist sehr enttäuschend. Genauso wie sein kindisches Verhalten gegenüber Hatern und Trollen, die er mit seiner Allmacht und seinem unerschöpflichen Geld auslöscht, anstatt Vernünftiges damit anzustellen.

Weiter geht dieses Elend dann mit dem Beginn des neuen Wettbewerbs. Natürlich fehlt Parzival inzwischen der Antrieb sein Leben in den Slums verlassen zu wollen, andererseits hat er ohne Sorgen und praktisch ohne Freunde auch alle Zeit der Welt sich mit einer Aufgabe zu beschäftigen, die im Grunde genommen für ihn allein ausgeschrieben wurde. Stattdessen gibt er schnell nach einigen halbherzigen Versuchen auf und schreibt einfach eine Milliarde Dollar für Hinweise auf die erste Scherbe der Sirene aus. Entsprechend trägt er auch überhaupt nicht aktiv zu der Leistung bei, die erforderlich ist, um dieses Abenteuer in die Gänge zu bringen. Und damit nicht genug: Dieses Muster setzt sich auch fort. Bei der Reise durch die 3 Hauptwelten, mit denen die Quest der Sirene verbunden ist, ist er lediglich Beiwerk und Werkzeug. In allen betroffenen Bereichen sind es seine zwangseingezogenen Freunde, die das nötige Nerd-Wissen mitbringen, um sich durch die Filmwelt des Regisseurs John Hughes (u.a. Breakfast Club), die virtuelle Heimat von Musiker Prince oder das erste Zeitalter von Herr der Ringe zu kämpfen. Wäre er nicht der Einzige, der die Scherben berühren und aufsammeln könnte, hätte man vollkommen auf ihn verzichten können. Nicht einmal im finalen Showdown muss er einen Finger krumm machen.

Das Guardians of the Galaxy 2 der Bücherwelt

Der MARVEL-Film Guardians of the Galaxy 2 war nicht vielmehr als ein wenig ambitionierter Abklatsch des ersten Teils. Man pickte sich die Elemente heraus, die besonders gut beim Publikum angekommen waren – Baby Groot oder der sehr eigensinnige Humor von Drax – legte einen zusätzlichen Fokus darauf, verpackte alles in einer halbgaren neuen Geschichte und voilà: Der nächste Hit.

Ready Player Two hat ähnliche Ambitionen. Mit einer ganzen, unglaublichen Welt als Spielwiese ist Autor Ernest Cline nichts Besseres eingefallen als alles noch einmal zu erzählen, nur in deutlich weniger gut, spannend und sympathisch. Dieselben Charaktere, die ihren Reiz verloren haben und im Gegensatz zu Guardians of the Galaxy 2 auch die Elemente, die sie ausgemacht haben. Ein weiterer Wettbewerb, der gewissermaßen ins Lächerliche gezogen wird durch sein Zeitlimit von einem halben Tag. Die gesamte Quest im ersten Buch zu lösen hat Jahre gedauert und ein herrliches Gefühl dafür vermittelt, wie schwer sie war, wie gut man die Hinweise versteckt hatte und wie viel Wissen, Können und Hingabe es erforderte am Ball zu bleiben. Hier folgt gefühlt auf jedes neue Puzzle-Teil der Schnitzeljagd ein „Achja, kenn ich, dafür müssen wir da hin!“, was es fast schon überflüssig erscheinen lässt, dass das Ganze überhaupt in kryptische Rätsel verpackt ist.

Auch die Welten wollten mich einfach nicht überzeugen. Das mag natürlich daran liegen, dass ich so gut wie gar keinen Bezug zu John Hughes-Filmen, Prince oder der ultimativen Vorgeschichte von Herr der Ringe habe, das hatte ich aber auch im Vorgänger zu vielen der 80er-Elemente nicht und trotzdem hat es mich gepackt, meinen Nerd-Kern berührt und begeistert schmunzeln lassen, wenn ich etwas erkannt habe. Das Gefühl bleibt in diesem Band vollkommen aus und die Welten wirken einfach nur wie eine Aufzählung von Schauspielern, Filmen und Songs, die man notdürftig und ohne viel Liebe mit ein paar Sätzen verbunden hat.

Fazit

Ich bin fast schon traurig, dass das die ernstgemeinte Fortsetzung eines meiner liebsten Bücher aller Zeiten sein soll. Ein müder Abklatsch mit einem geradezu überflüssigen Protagonisten, vielen aufgewärmten Handlungselementen und geradezu erzwungenen Nerd-Anspielungen und -Gastauftritten. Das Buch ist einfach zu lesen und natürlich, trotz all der Kritik, bleibt ein Grundlevel an Spannung erhalten, das neugierig auf den Ausgang der Schatzsuche macht. Auch das ganze Element der kompletten Digitalisierung, des quasi ewigen Lebens in der Cloud, ist an sich ein spannender Ansatz der zum Denken anregt.

Leider hilft das Alles nicht über die Enttäuschung hinweg, die einen auf jeder Seite begleitet durch ein Buch, das ein gutes Stück länger als 400 Seiten hätte werden sollen, um nicht so gehetzt und hingeklatscht zu wirken. Hätte Ernest Cline mit diesem Buch angefangen, würde bis heute wahrscheinlich niemand außer seiner Frau und das Finanzamt seinen Namen kennen.

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