Ich sehe eine attraktive Frau mit roten Haaren auf dem Dach eines Gebäudes. Sie zieht ein riesiges, abgerundetes Schwert, was mehr wie eine übergroße Speicherkarte aussieht, aus einem Mann, dessen Stimme in ihrem Kopf hallt und ihr Anweisungen gibt. Das Schwert hinter sich her schleifend, bewegt sie sich durch das farbenfroheScience-Fiction-Szenario. Auf dem Boden liegen Menschen, über dessen Körpern blau, leuchtende Würfel schweben. Berühre ich sie, bekomme ich neue Fähigkeiten…häh? Ok, fuck it! Ich bin jetzt seit 10 Minuten im Spiel und verstehe absolut nicht, was gerade passiert! Ich spiele gerade Transistor, das neue Spiel von Supergiant Games, den Entwicklern des Indie-Klassikers Bastion. Wenn wir an Bastion denken, denken wir an ein Action-Rollenspiel in isometrischer Perspektive, einen ansprechenden,handgemalten Grafikstil und einen spitzenmäßigen Soundtrack. Eins vorneweg: Diese Eigenschaften kann Transistor ebenfalls für sich verbuchen. Da ich aktuell jedoch mit der Story noch im Dunkeln tappe, erkläre ich zunächst das Gameplay.

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Red – so heißt der Rotschopf – bewegt sich mit ihrem Schwert durch die geradlinige, futuristische Kulisse und verkloppt mechanische Kampfboliden aller Art. Hierfür besitzt sie keine festgelegten Angriffe, sondern abwechslungsreiche Fähigkeiten in Form von Chips mit denen sie ihr Schwert bestücken kann. Die Auswahl reicht von Nahkampfangriffen, über Schusswaffen und Querschlägern, bis hin zu einem Tarnmodus und vielen weiteren Funktionen. Maximal vier Angriffe kannst Du auf vier Buttons verteilen. Gleichzeitig dient jeder Chip auch als Upgrade, d.h. du kannst die Eigenschaften eines Chips mit anderen Chips verstärken oder modifizieren. Die Anzahl der allgemein verwendbaren Chips hängt von deinem Level ab, der natürlich mit dem Verschrotten von Gegnerhorden ansteigt und dir wiederum weitere Chips zur Verfügung stellt.

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Das Kampfsystem hat zusätzlich einen entscheidenden Bonus. Du kannst im Eifer des Gefechts die Zeit anhalten und Deine Bewegungen und Angriffe strategisch vorausplanen. Dir steht eine bestimmte Anzahl an Aktionen zu Verfügung, die Du beliebig in Echtzeit aneinanderreihen und auch wieder löschen kannst, um den Zug perfekt je nach Situation zu gestalten. Bist du mit der Planung fertig, wird diese per Tastendruck sofort in die Tat umgesetzt. Danach muss sich jedoch eine Energieleiste auffüllen, bis du weiterkämpfen kannst. Durch die Vielzahl an unterschiedlichen Gegnern, die sich teilweise mit Reparaturen und Schutzschilden selbst unterstützen, ist die Reihenfolge der Angriffe sehr entscheidend und dieses Feature somit unverzichtbar.

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Sollte deine eigene Energieleiste leer sein, verlierst du vorübergehend einen Chip, der sich aber im Laufe des Spiels selbst regeneriert. Die immer größer werdende Sammlung an Chips und Möglichkeiten ist leider nicht von Grund auf transparent. Oft müssen neue Fähigkeiten zunächst im Kampf ausprobiert werden, um deren Vorteile und Verwendungszwecke überhaupt einschätzen zu können, auch weil einige Gegner nur mit bestimmten Waffen verwundbar sind. Auch bekommst du während den Kämpfen nichts geschenkt und wirst stark umzingelt und unter Beschuss genommen, so dass Taktik und Konfiguration entscheidend sind.

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Über die Anordnung der Chips kannst du jedoch nicht willkürlich verfügen, sondern diese nur über bestimmte Terminals ändern. Die Stadt Cloudbank ist zum Glück voll von den Dingern, die dir zudem Informationen über die Stadt selbst und dessen politische Situation zukommen lassen. So kannst du dafür sorgen, dass Red diese Geschehnisse kommentiert oder Petitionen unterschreibt. Nach und nach lüftet sich daraufhin das Rätsel um die eigentliche Geschichte des Spiels. Red war einst eine gefeierte Sängerin, die einen Mordanschlag der Gruppierung Camerata überlebte. Auf der Flucht stößt sie auf das besagte Schwert Transistor, welches die Seelen von Verstorbenen absorbieren kann und dadurch neue Fähigkeiten bekommt. Das erklärt einiges! Deswegen hörst du auch die ganze Zeit die Stimme von dem ersten Typen, der all deine Handlungen kommentiert, seit du das Schwert an dich genommen hast. Informationen über die Verstorbenen, die dir immerhin durch ihren Tod das Leben erleichtern, kannst du dir in einer Art Wiki durchlesen. Camerata will also nicht nur Red an den Kragen, sondern auch das Schwert besitzen, was du natürlich verhindern sollst. Puh! Die Story wäre erklärt!


Die Grafik präsentiert sich durchgehend in einem handgemaltem Artwork und wird dadurch, aber auch durch etwaige Cutscenes, zum absoluten Augenschmaus. Diese Zukunft wirkt nicht kalt und steril, sondern warm und farbenfroh und lockt an jeder Ecke mit verspielten Designs, die stets Abwechslung in die Kulisse bringen. Getragen wird die Stimmung von einem verträumten Soundtrack mit ambient-elektronischen Klangbildern, mal düster bedrückend, mal hell verspielt, teilweise mit weiblichem Gesang. Gerade in Kombination mit dem mysteriösen Einstieg in die Handlung, entsteht eine Welt der man gerne auf den Grund gehen möchte. Die Erzählweise findet während des gesamten Spiels statt. Es kann zu Beginn anstrengend sein kann, sich während des Spiels auf einen Erzähler mitsamt Untertitel einzulassen. Trotzdem entsteht ein gewisser Fluss im Gesamtbild. Gameplay und Erzählung wechseln sich nicht ab, sondern gehen ineinander über, was super funktioniert sobald die Wahrnehmungshürde überwunden wurde. Was übrig bleibt ist ein kleines Action-Rollenspiel in einem lebendigen Science-Fiction-Setting und einem malerischen Design, zwischen klassischem Gameplay und taktischer Tiefe.

Fazit

Transistor behält alle positiven Aspekte aus Bastion bei und setzt in Sachen Gameplay, Design und Gestaltung noch einen drauf. Zugegeben: In diesem Spiel bist du nicht überpowert, sondern musst alle Möglichkeiten des Kampfes ausnutzen, um gegen die Gegnerwellen zu bestehen. Ebenso musst du es dir gefallen lassen, dass eine unsichtbare Stimme ständig alles kommentiert und du mit Informationen zugeschüttet wirst, die du vorerst nicht zusammenfügen kannst. Trotzdem ist Transistor eine kleine Evolution im Indie-Bereich und ein Fest für die Sinne. Falls du zusätzlich nicht nur auf Geschicklichkeit angewiesen bist, sondern ebenfalls mit taktikbasierenden Gefechten umgehen kannst, kannst du den Download mit gutem Gewissen anwerfen.

 

Vielen Dank an Gastautor Fabian Anderer (Rainer Schauder) für diesen Test!

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27. Mai 2014 0
1 Comment
  • Kevin J. 10 Jahren ago

    Leider sind es exakt die taktikbasierten Kämpfe, die mich von diesem Titel abhalten. :-/
    Aber schöner Test.

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