Alle paar Jahre passiert es, dass ein Film erscheint, der mich an meinem Urteilsvermögen zweifeln lässt, da sich die gesamte Presse einig ist, hier etwas ganz Großartiges zu sehen. So geschehen damals bei Der Herr der Ringe und danach bei Avatar, die ich zwar beide optisch beeindruckend und handwerklich meisterhaft, aber dennoch irgendwie dröge und langatmig fand. Gleiches wiederholt sich in kleinerem Rahmen nun mit „The Witch“. International sind alle Schreiberlinge sicher, hiermit das Beste vorliegen zu haben, was das Genre Horror in den letzten Jahren hervorgebracht hat und überschlagen sich mit Lobpreisungen. So ist die Rede von einem „hoch atmosphärischen“ und „zutiefst beunruhigendem“ instant Klassiker auf Augenhöhe mit Meilensteinen wie Der Exorzist und selbst Altmeister Stephen King zeigt sich begeistert. während Autorenkollege Brian Keene süffisant verkündet, dass wohl 90% der Kinogänger zu blöd wären, die Klasse dieses Machwerks zu erkennen.

Ganz ehrlich; bei all diesem Gegenwind, der mir und meiner gänzlich gegenteiligen Meinung durch all diese Beweihräucherung entgegenschlägt, habe ich kurz überlegt einfach klein bei zu geben und mit hochtrabenden Worten das allgemeine Echo einfach zu zitieren, aber schließlich sind wir hier nicht bei Spiegel Online, sondern bei PWRUP.de, der letzten Bastion des knallharten Profijournalismus und Heimat der kontroversen Meinungen (Anm. d. Ch.-Red: Schleimer!) . Da ich also keinen Geschenkkorb voller frischer Früchte, Einmachmarmelade und Badezusätze bekommen hab, womit anscheinend alle anderen Kritiker bedacht wurden (anders kann ich mir die 90%-Wertung auf Rotten Tomatoes nicht erklären), nun mein unumwundener Senf zu The Witch.

Am Anfang war ich noch guter Dinge, auch wenn der Trailer im Vorfeld noch mit Schauwerten geizte. Manchmal ist weniger mehr und so schien es clever zur Abwechslung mal nicht alle Schocker schon vorher zu verballern. Direkt zu Beginn startet auch alles sehr angenehm finster mit drückenden Cellos und finsteren Bildern eines bedrohlichen Neuenglands zu Siedlerzeiten, wo sich Familienvater William wegen Glaubensdelikten vorm Dorfrat verantworten muss und infolge seiner Verbannung mitsamt Sippe versucht, sich ein neues Heim inmitten der wäldlichen Einöde zu schaffen. Dummerweise liegt dieses neue Gehöft inmitten eines Hexenballraums und so dauert es auch nicht lange, bis Williams jüngster Spross von einer der örtlichen Buckelelsen zu einer nicht näher definierten Zauberpaste verarbeitet wird. Da es sich aber bei unseren Hauptfiguren um bibelfeste Puritaner handelt, sucht man die Schuld dafür nicht bei den hakennasigen Satansweibern, sondern in der eigenen in die Wiege gelegte Schlechtigkeit und lamentiert nun lautstark über eigene und andere Sünden, während das Böse aus dem Wald seinen Klammergriff immer enger zieht.

Klingt alles auf den ersten Blick soweit schön und gut. Was hab‘ ich also zu nörgeln? Nun, so sehr einen die Grundstimmung auch abholt, so wenig macht man daraus, den Zuschauer am Haken zu haben. Nach einer halben Stunde im ewig gleichen Tempo denkt man sich unweigerlich „Jetzt muss aber mal was kommen“ und eben dieser Knalleffekt bleibt völlig aus, was einem nach etwa 2/3 der Spielzeit auch bewusstwird und ab diesem Moment hab ich aufgegeben und mich mit lautem Gähnen in den Sitz sinken lassen. Meines Erachtens nach wird hier hochtrabend versucht mit technischer Perfektion und dem Verweis darauf, dass die Geschichte aus authentischen Tagebüchern und ähnlichem bestände, über die Substanzlosigkeit der Story hinweg zu täuschen. Da hilft auch die Darstellerrekrutierung aus Game of Thrones Zweitligisten nicht. Ralph Ineson in seiner Rolle als William ist da bei weitem der am wenigsten unangenehme Frömmler, während Ehefrau Katherine (Kate Dickie) samt schreiender Kinderschar beinahe durchgängig am Nervenkostüm zehrt.

Fazit

Zu wenig Grusel und zu viele nackte Kinder reichen für mich einfach nicht, um als neue große Horrorhoffnung zu bestehen. Entgegen aller Eierkopfmeinungen und ungeachtet dessen, mich damit in die Reihen der doofen Popcornglotzer einzuordnen, ist The Witch für mich vor allem eines: aufgeblasen und innen hohl. Regisseur Robert Eggers mag man eine gewisse Expertise in seiner Bildgestaltung kaum absprechen, aber die Geschichte, die er damit zu transportieren versucht, ist kaum schauriger als ein Simpsons Halloween Special. Am Ende bleibt die ach so schreckliche Hexe zahnlos, ohne Biss und gehört in den selben Ofen gestoßen, in den hier geschossen wurde.

The Witch startet am 19.5.2016 im Kino.

(Vielen Dank an Nicky Ramone für diese Filmkritik)

 

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