10. März 2014

Spielereviews: Jeder hat eine Meinung!

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Spielereviews sind Krieg! Von der Vorbereitung über das Anspielen, dem Sammeln von Informationen, dem eigentlichen Verfassen des Textes und Zurechtlegen der Argumentation bis hin zur Veröffentlichung, können viele Stunden Arbeit liegen, je nachdem für welche Darstellungsform man sich entscheidet. Wichtig ist jedoch nicht nur die Machart, sondern die Meinung mit der man ein Staubkorn unter tausenden und abertausenden von Konkurrenten ist. Jeder hat eine Meinung, JEDER hat eine Meinung und vertritt diese nicht nur durch etablierte Redaktionen mit langjähriger Branchenerfahrung, sondern auch als regulärer Endverbraucher auf sämtlichen, öffentlichen Plattformen und sozialen Netzwerken. Nerds diskutieren gerne über ihre Produkte und das machen sie Tag und Nacht, dreifach über Kreuz und durch alle Schichten hindurch und wenn alles über das Produkt gesagt ist, diskutieren sie über die einzelnen Diskussionen mit dem Verfasser selbst oder den Vertretern der gegensätzlichen Ansicht.

Grundsätzlich ist diese ganze Diskussionsbereitschaft ein kompletter Widerspruch, bedenkt man die eigentliche Zielgruppe eines Reviews. Ein Review soll doch gerade Interessenten eines Spiels ansprechen und diesen zum Kauf raten bzw. erläutern, ob dieses Spiel für sie geeignet ist. Da es praktisch unmöglich ist den ganzen Testdschungel zu überblicken, bietet es sich an, sich einen Tester des Vertrauens zu suchen, mit dessen Spielgeschmack man weitestgehend konform ist und sich so die Wahrscheinlichkeit erhöht sich kontinuierlich gut beraten zu lassen. Wo liegt also der Sinn des Kommentierens oder gar des Diskutierens? Im Prinzip könnte man einen kleinen Beitrag dazu abgeben, ob die Review tatsächlich helfen konnte, um anderen Lesern das Gefühl zu vermitteln, sie wären hier an der richtigen- oder falschen Adresse. Was tut der Gamer? Er sucht sich gezielt Reviews zu einem Spiel mit welchem er bereits ausgiebig Erfahrungen sammelte und zu dem er sich bereits eine Meinung bildete. Jeder hat eine Meinung, JEDER hat eine Meinung und so vergleicht er diese mit der Meinung der Außenwelt. Gibt es Abweichungen wird diskutiert, und das kurioserweise in zwei Richtungen: Es wäre verständlich ein Lieblingsspiel gegenüber schlechter Publicity zu verteidigen, jedoch muss sich ebenfalls derjenige rehabilitieren, der sich an einem angeblich schlechten Spiel erfreut. Wie muss man sich das eigentlich vorstellen? Sind diese Kandidaten davon überzeugt, man habe sich den Spielspaß nur eingebildet? Ich selbst bin von dieser Absurdität öfter betroffen als mir lieb ist, beteilige mich dennoch leidenschaftlich – und oft verärgert – an diesem Schauspiel. Wer möchte denn schon 500 Zuschauern ein Spiel empfehlen, nur um an anderer Stelle zu sehen, wie das Spiel 10.000 Zuschauern ausgeredet wird. Im schlimmsten Fall werden derartige Spiele nicht mehr produziert und ich blicke in die Röhre.

Befassen wir uns nun einmal mit der Review selbst: Wie sollte diese im Idealfall eigentlich aussehen? Grundsätzlich sind die Begriffe „subjektiv“ und „objektiv“ innerhalb der Wahrnehmung dieser Tests immer gerne gesehen, werden jedoch genauso gerne verwechselt. Objektivität bedeutet, dass sich der Schreiber an Fakten und Tatsachen bedient. Subjektivität ist hingegen die eigene, persönliche Wahrnehmung und somit auch diskutierbar. Nehmen wir mal an eine Person A findet Spiel B langweilig, so ist dies eine subjektiv, vertretbare Meinung von Person A. Die Aussage „Person A findet Spiel B langweilig“ bleibt trotzdem objektiv, denn es ist eine Tatsache, dass Person A so empfindet. Diese Herangehensweise wird im Internet immer gerne verwendet, um eine subjektive Meinung als objektiv zu verkaufen und andere damit zu nerven. Ein Review sollte beide stilistischen Mittel beherbergen. Es sollte weitestgehend möglich sein ein Spiel neutral in seiner Grundfunktionalität, der Story, des Gameplays und des Designs zu beschreiben. Ob und wie diese Komponenten zusammen harmonieren und funktionieren orientiert sich hingegen nach der eigenen Wahrnehmung, die natürlich abweichen kann. Leider gibt es beim Erfassen einer Review ein großes Problem: Die Komplexität einer Spielsteuerung in Kombination mit Grafik und Storytelling ist nicht immer leicht zu umschreiben, so dass der Leser imstande ist sich einen bildhaften Eindruck zu machen.

Zu diesem Zweck gibt es – das obligatorische Fazitkästchen mal ausgenommen – Wertungssysteme. Wertungssysteme kommen in allerlei Geschmacksrichtungen daher und bewerten ein Spiel anhand einer Skala. Hierbei ist es egal, ob es sich um ein Schulnoten-System, eine Prozentwertung oder der Vergabe von bis zu fünf Sternen handelt. Der Leser soll auf einen Blick einen Maßstab erfahren, an dem zu erkennen ist, ob sich der Kauf eines Spieles lohnt. Der entscheidende Fehler an diesem System ist, dass es das Spiel nicht für sich selbst als eigenständiges Produkt bewertet, sondern es lediglich mit anderen Spielen vergleicht. Das bedeutet, dass sich der Maßstab der Wertung mit dem Anstieg der Spielqualität stets erhöht, also sich jedes neue Spiel mit dem letzten Verkaufsschlager vergleichen muss. Würde man ein „Pac-Man“ mit einem „Metal Gear Solid“ vergleichen, wäre der Gewinner klar, was Pac-Man jedoch nicht zu einem schlechten Spiel macht. Dieses Extrembeispiel soll lediglich verdeutlichen, dass Videospiele auch im Jahr 2014 nicht sonderlich komplex sein müssen, um Spaß zu machen. Ich empfinde es sogar als herzlos, wenn all die schönen Stunden der vergangenen Konsolengeneration zur Seite gelegt werden, weil Videospiele sich technisch stets weiterentwickeln. Der kurzfristige, halbherzige Konsum von Reviews ist in der heutigen Zeit ebenfalls problematisch. Selbst in den über die Jahre immer populärer werdenden Video-Reviews, die den Vorteil haben bewegtes Gameplay zu zeigen und kompakt zu Recht geschnitten sind, liegt der Trend im stetigen Kürzen. Die „One Minute Reviews“ feiern seit einiger Zeit als „Fast Food“ des Spielejournalismus ihren Feldzug. 60 Sekunden reichen in den seltensten Fällen aus, um ein Spiel gebührend zu beschreiben, der Erfolg gibt der Faulheit des Konsumenten dennoch recht.

Meiner Überzeugung nach läuft in diesem Bereich vieles nicht wirklich rund. Die Gewichtung von gut und schlecht, von Meinung und Argumentation, von Recht und Unrecht hat aktuell eine viel zu hohe Bedeutung, obwohl sie eigentlich total irrelevant ist. Es muss ein Umdenken stattfinden. Der Leser oder Zuschauer eines Reviews, muss sich von der Bequemlichkeit entfernen, sich die Entscheidung abnehmen zu lassen, Reviews müssen wieder für das Spiel und nicht für den Endverbraucher geschrieben werden und jeder muss in der Lage sein, die Eigenschaften eines Spiels mit den eigenen Interessen abzugleichen, ohne sich manipulieren zu lassen. Die Problematik ist hierbei, dass das Erstellen von Reviews ebenfalls ein Geschäft ist, ein Job, eine wirtschaftliche Komponente, die eine Gradwanderung zwischen wirtschaftlichem Erfolg und kreativer Zufriedenheit eingehen muss. Ich möchte daher nicht hoffen, dass sich etwas ändert, jedoch wünsche ich mir es.

Vielen Dank an Gastautor Fabian Anderer (Rainer Schauder) für diese Kolumne!

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