Das Entwicklerstudio Eidos Montreal hat gute Erfahrungen mit Reboots gemacht – oder sollte man vielleicht sagen: Wir als Spieler haben gute Erfahrungen mit den von Eidos Montreal umgesetzten Reboots gemacht? Jedenfalls fiel zuletzt der Titel „Deus Ex – Human Revolution“ in die Kategorie der generalüberholten Serienableger und das Spiel wusste durchaus zu überzeugen.

Nun also versucht Eidos dieses Kunststück ein zweites Mal. Ob „Thief“ aufpoliert genauso schön glänzt wie „Deus Ex“ werden wir im folgenden Test nun ein wenig genauer ergründen.

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Mit Serien ist das ja immer so eine Sache: Einerseits gibt es in der Regel bereits eine solide Fanbase, die sich natürlich auf einen neuen Ableger des Franchises freuen – diese Käufer hat man fast schon sicher. Andererseits hegen diese aufgrund ihrer Vorkenntnisse auch einige Erwartungen, die im Falle des Nichteintretens auch schnell zum Fallstrick für die Macher werden können.

Der Prolog unternimmt keine Anstrengungen uns Garett – der ja gewissermaßen den roten Faden der „Thief“-Reihe darstellt und daher der zentrale Punkt einer flüssigen Überleitung in das aktuelle Spiel sein müsste – näher zu bringen. Viel mehr erfahren wir zunächst etwas über eine mysteriöse, weibliche Nebenfigur mit dem Namen Erin. Sie agiert im gewissen Maß als Gegenpol zum Meisterdieb Garett; wo er kontrolliert und überlegt agiert, gibt sie jedem Impuls nach und eine gewisse Hitzköpfigkeit ist ihr nicht abzusprechen. Sehr viel später in der Story kristallisiert sich heraus, dass Erin einst der Schützling unseres kleptomanischen Protagonisten war – auch wenn man dies auch zuvor bereits hätte vermuten können, lässt uns das Spiel doch ausnehmend lange im Unklaren über das Verhältnis der beiden zu einander.

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Weniger unklar ist jedoch, in wiefern unsere Sympathien verteilt sind. Zu Beginn des Spiels sind Garett und Erin gemeinsam damit betraut, in das Haus eines angesehenen Bürgers einzusteigen, um dort einen sogenannten Urkraftstein zu entwenden. Ganz so einfach, wie sich das Ganze anfangs darstellte, gestaltet sich das Unterfangen dann letztlich doch nicht und die beiden werden mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert, während derer sich Erin ausnahmslos selbstsüchtig und unüberlegt gibt, so dass wir schnell die Schnauze voll haben von unserer weiblichen Begleitung. Gut, jedes Spiel braucht auch einen Antagonisten, doch – so vermuten wir – Erin war für diese Rolle keineswegs vorgesehen, denn im späteren Handlungsverlauf ist auch ihr eine tragende Rolle angedacht und vermutlich sollten wir an dieser Stelle in irgendeiner Weise emotional in ihr Schicksal involviert sein, aber wir fühlen stattdessen eher Gehässigkeit – der Schuss ging in den Ofen!

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Der nächste nicht ganz erklärliche Zug wird direkt im Anschluss unternommen: Nach Abschluss des Prologs vergeht im Spiel zunächst ein ganzes Jahr, bis die eigentliche Handlung wieder einsetzt. Zugegeben – ein Jahr ist eine lange Zeit. Aber lang genug, um einen spontanen Wechsel des gesamten Settings zu rechtfertigen? Jedenfalls ist das verschlafene Städtchen, welches Garett sein Zuhause nennt, nun auf einmal einer faschistisch anmutenden Diktatur unterworfen.

Wir fühlen uns mit der sprunghaften Entwicklung der Story ziemlich allein gelassen.

Statt sich über diesen Umstand zu wundern, macht er genau da weiter, wo er aufgehört hat und begibt sich auf die nächste Diebestour. Ein zweites Mal fühlen wir uns mit der sprunghaften Entwicklung der Story ziemlich allein gelassen und erreichen infolgedessen den Punkt, an dem wir einfach hinnehmen und nicht mehr hinterfragen. Dann ist es halt so.

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Ebenso unreflektiert erscheint Garetts Verhalten im Allgemeinen, denn unter einem „Meisterdieb“ stellen wir uns niemanden vor, der einfachen Bürgern das Silberbesteck vom Tisch klaut. Das Spiel hätte ebenso gut unter dem Titel „Kleptomania“ laufen können, denn unser Protagonist steckt so ziemlich alles ein, was nicht festgenagelt ist – statt aus Garett eine Art Robin Hood zu machen, der nur die bösen Besserverdiener um einige Wertsachen erleichtert, bedient er sich ohne Unterschied bei Arm und Reich gleichermaßen. Ähnlich wie bei Erin’s Attitüde kostet auch das Sympathiepunkte und bekanntermaßen ist eine gewisse Empathie für die Charaktere erst das, was ein Spiel wirklich lebendig erscheinen lässt. In dieser Kategorie schafft „Thief“ es leider nicht zu punkten.

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Doch im Grunde genommen wird das Stehlen ohnehin zur Nebensache, denn in allen 8 Kapiteln ist das Hauptaugenmerk nicht unbedingt nur auf Garetts kleptomanische Züge gelegt. Vielmehr sind wir im Zuge dessen auch mit diversen Rätseln konfrontiert, die zu lösen durchaus nach etwas Grips verlangt. Da wird gepuzzelt und da werden Hinweise gesucht, wir fühlen uns gefordert und gefördert – und fragen uns, warum das Spiel sich nicht selbst den Gefallen getan hat, diese spieletechnischen Stärken mehr ins Licht zu rücken.

A propos „ins Licht rücken“: Das solltet ihr mit dem von euch gesteuerten Charakter eher vermeiden. Ziel ist es erklärtermaßen, sich ungesehen durch die Stadt zu bewegen, um auf der Diebestour nicht etwa von patroullierenden Wachen aufgegriffen zu werden. Zwecks dessen huschen wir von einer schattigen Ecke zur nächsten und schalten dann hinterrücks die Wachen aus, die zwischen uns und unserer Beute stehen. Zugegeben – in diesem Punkt erleben wir ein absolut stimmiges Spielerlebnis, denn Garett wandelt behände durch die dämmrigen Gassen und für Freunde des Stealthmodus, die es lieber nicht mit der direkten Konfrontation versuchen möchten, wird hier das perfekte Ninja-Erlebnis geboten.

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Allerdings – auch wenn sich bei „Thief“ verschiedene Schwierigkeitsgrade wählen lassen – nimmt uns die Möglichkeit, uns immer anschleichen zu können, auch ein wenig die Herausforderung. Sogar in der höchsten Schwierigkeitsstufe schaffen wir es ohne große Mühe, gleich mehrere Wachen mit einem einfach Knüppelhieb umzulegen, ohne dass uns auch nur eine davon bemerkt.

Dieses Element wie auch der Rest des Spiels erinnert stark an „Dishonored“ – kein nachteiliger Vergleich, zu mal „Thief“ es ebenso wie dieses schafft, dem Heimlichkeits-Faktor Rechnung zu tragen.

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Weniger positiv zu vermerken ist der doch sehr linear geratene Levelaufbau. Durch teilweilweise geradezu klaustrophobisch anmutende Gassen schleichend, haben wir nur sehr selten die Möglichkeit, unsere eigenen Wege zu wählen. Auch wenn uns die Karte eine weit offenere Spielwelt zu suggerieren scheint – wir wandeln letztlich nur auf mehr oder minder klar vorgegebenen Pfaden. Obwohl es einige prinzipiell sehr nützliche Ausrüstungsgegenstände gibt, kommen diese nur selten zum Einsatz: Der Seilpfeil beispielsweise könnte des Öfteren nützlich sein, um beispielsweise von Fenster zu Fenster zu wandern, doch leider erlaubt uns das Spiel seinen Einsatz nur an speziell dafür vorgesehenen Punkten und beraubt uns somit der spielerischen Kreativität.

Das schon zuvor heftig diskutiert und kritisierte Fokussystem lässt unser Hirn dann komplett in den Winterschlaf fallen – haben wir den Fokus aktiviert, leuchten alle potentiell interessanten Gegenstände blau auf, so dass wir uns im geistigen Blindflug durch die Level bewegen können und trotzdem alles mitnehmen, was mitzunehmen ist.

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An diesem Punkt wird deutlich, dass „Thief“ versucht Ansprüche beider Lager zu erfüllen und durch die Wahl des Mittelwegs auch in die Mittelmäßigkeit abdriftet. Einerseits möchte es die Fans der alten Spiele glücklich machen, indem der Idee des Unsichtbarseins durch fortwährende Möglichkeiten zum Schleichen Rechnung getragen wird. Andererseits möchte man aber auch der Masse der Action-Adventure-Spieler entgegenkommen, indem man die Spielmechanik nicht allzu speziell oder diffizil gestaltet.

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Die teils asynchrone Tonspur inklusive Übersetzungen lassen das Spiel manchmal unfreiwillig komisch wirken.

Die Optik des Spiels weiß hingegen zu überzeugen: Auch wenn wir von der Stadt nur das sehen, was innerhalb der für uns abgesteckten Pfade zu sehen ist, so scheint die Kulisse nicht nur stimmig, sondern auch stimmungsvoll. Naturgemäß ist das Spiel per se sehr dunkel, doch trotzdem verkommt die Grafik nicht zu einem konturlosen dunklen Brei. Störend fällt allerdings auf, dass es während der Zwischensequenzen – die ohnehin sehr hektisch gestaltet sind – zu unerklärlichen Framerate-Einbrüchen kommt, die die ganze Szenerie unbeabsichtigt wie durch ein Stroboskop ausgeleuchet wirken lassen. Auch die teils asynchrone Tonspur inklusive Übersetzungen, die auch der Google Translator hätte liefern können, lassen das Spiel stellenweise unfreiwillig komisch wirken.

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Fazit

„Thief“ ist eigentlich kein echtes „Thief“ – zumindest sollten wir gameplay- und storytechnisch keinen direkten Nachfolger der beiden vorangegangenen Teile erwarten, denn in dieser Liga kann das Spiel nicht mitspielen.

An allen Ecken und Enden wird deutlich, dass Eidos Montreal mindestens ein Auge auf den Massenmarkt geworfen hat und dabei mittelfristig das eigentliche Spielkonzept vernachlässigt hat. Sicher, wir schleichen uns unerkannt durch dunkle Gassen, so weit ist ja noch alles richtig – aber das Gefühl, vor einer Herausforderung zu stehen, haben wir abgesehen von den kurzen Rätselpassagen so gut wie nie. Um das Spiel massentauglich zu halten, wurden an der Schwierigkeit klare Abstriche gemacht, da kann uns auch die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Schwierigkeitsgraden nichts anderes vorgaukeln.

Bei alledem waren die Entwickler aber doch bemüht, die Fans der ersten Stunde nicht völlig vor den Kopf zu stossen und so haben wir es letztlich mit einem halbseidenen Ergebnis zu tun: Kein richtiges „Thief“ im klassischen Sinne und gleichzeitig ein eher durchschnittliches Action-Adventure mit Stealthelementen.

Addiert man dann noch die farblos gestalteten Charaktere und das diffuse Storytelling dazu, erhält man ein eher unbefriedigendes Ergebnis – leider nur Mittelmaß!

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2. März 2014 2
3 Comments
  • Marcel 10 Jahren ago

    Schade, Schade. Danke Zimmy 🙁

  • Gurki 10 Jahren ago

    naja war nie ein fanboy der serie und deswegen seh ich das nicht ganz so schlimm. für sich gesehen ist das bestimmt ein gutes schleichspiel 🙂 das man bei der übersetzung geschlampt hat ist denk ich mal zu vernachlässigen da mir persönlich irgendwann die story egal ist :)wenn es das mal für günstig gibt werd ichs mir holen 🙂 danke für die wirklich gut geschriebene review

  • Falki 10 Jahren ago

    Sehr schade. Ich hatte zwar keine allzu großen Erwartungen, nachdem ich die ersten bewegten Bilder gesehen habe, aber es ist wieder einmal schade zu sehen, wie Spiele heute einerseits auf Hochglanz poliert und gleichzeitig doch so herzlos produziert werden…

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