15. Oktober 2018

Fist of the North Star: Lost Paradise

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Fist of the North Star ist eine alte Manga-Reihe von Buronson und Tetsuo Hara, die zwischen 1983 und 1988 in 245 Kapiteln erschien. Neben der zwangsläufigen Anime-Adaption, zahlreichen Spin-Offs und Romanen erschien 1995 auch ein gleichnamiger US-Actionfilm mit Gary Daniels, Malcolm McDowell und Chris Penn, bei dem es allerdings nur für einen Straight-To-Video-Release reichte. Videospiele zur Serie hingegen gibt es Dutzende bereits seit den 80ern, angefangen auf prominenten Plattformen wie dem PC-88, dem FM-7 oder dem Sega Mark III. Erst mit Ken’s Rage für PlayStation 3 und Xbox 360 schaffte es der muskelbepackte Titelheld Kenshiro nach Europa und kehrt nun für aktuelle Konsolen mit Lost Paradise zurück.

Die Geschichte

In einer vom Nuklearkrieg zerstörten postapokalyptischen Welt mit ausgetrockneten Meeren zieht der Krieger Kenshiro durch das Ödland auf der Suche nach dem Einzigen, das ihm noch geblieben ist: Seiner zuvor entführten Verlobten Yuria. Kenshiro ist Meister der Martial Art-Technik Hokuto Shinken, die Gegner mit wenigen Handgriffen an den geheimen Druckpunkten des menschlichen Körpers töten kann – und das auf äußerst blutige Art und Weise. Die Spur führt ihn in die abgeschottete Oasen-Stadt Eden, die sich als nicht so paradiesisch herausstellt, wie der Name vermuten lässt…

Das Gameplay

Obgleich die erste Stunde des Spiels mich augenblicklich an die Dynasty Warriors-Reihe und speziell deren Anime-Spin Offs erinnert hat – gemessen an der Menge von herumspritzendem Blut und anderen brutalen Darstellungen am ehesten an Berserk and the Band of the Hawk – basiert es doch tatsächlich auf den Mechaniken der Yakuza-Serie, ebenfalls von SEGA. Obgleich ich ein riesiger Japan-Nerd bin muss ich doch aufrichtig und beschämt gestehen, dass ich mit den japanischen Mafiosi bisher nicht in Berührung kam und entsprechend keinen Vergleich aufstellen kann. Mit Dynasty Warriors hat Fist of the North Star: Lost Paradise allerdings nichts zu tun.

Der Spieler steuert Kenshiro aus der Third Person-Ansicht von Kampf zu Kampf und diese sind nicht etwa nahtlos ins Spielgeschehen eingebunden, sondern werden meist durch eine kurze Zwischensequenz eingeleitet, gefolgt von einem geradezu cineastisch iszenierten Gegenüberstehen wie bei einem herkömmlichen Beat em Up a la Tekken oder Street Fighter. Auch reißt das Game einen aus der eigentlichen Spielwelt heraus und versetzt den Spieler hinein in eine begrenzte Arena, die den Look der gerade aktuellen Umgebung imitiert, im Grunde genommen aber nichts außer den Gegnern enthält. Diese müssen dann gehörig verdroschen werden und hier zeigt sich schließlich doch ein wenig Ähnlichkeit zur Dynasty Warriors-Reihe, da sich die Kombos in erster Linie durch das Drücken der Quadrat- und Dreieck-Taste zusammensetzen und eine Variation der Angriffe lediglich durch die Anzahl der jeweiligen Tastendrücke entsteht.

Ganz so viel Abwechslung gibt es hier allerdings nicht, die hat man sich offenkundig für die Spezialtechniken aufgehoben, für die Manga und Anime auch berühmt sind. Sobald ein Gegner durch ausreichend normale Angriffe benommen ist und buchstäblich Sterne sieht, kommt auch noch eine dritte Taste zum Einsatz, die eine kleine Zwischensequenz mit Quick Time Event zur Folge hat. Mir ist noch unklar, ob sich die Auswahl der Spezialtechnik in irgendeiner Form beeinflussen lässt (durch den Winkel zum Gegner oder das gleichzeitige Halten des Steuersticks z.B.), da sie in erster Linie sehr willkürlich wirkt. Entweder spaltet Kenshiro seinem Opfer mit der nackten Handfläche die Schädeldecke oder er rammt ihm seinen Daumen in die Schläfe und wirbelt ihn todbringend durch die Gegend oder er hämmert solange auf den Torso ein, bis die geheimen Druckpunkte den Gegner aufquellen und von innen heraus explodieren lassen oder… Es ist schön, die ausgefallenen Techniken aus der etwas in die Jahre gekommenen Vorlage wiederzuerkennen, allerdings macht spritzendes Blut in der gezeichnet wirkenden Cellshading-Grafik irgendwie nur halb so viel Spaß und spätestens nachdem man dem fünften Gegner in derselben Sequenz beim Platzen zusieht, stört einen die mehrsekündige Kampfunterbrechung eher.

Die normalen Gegner variieren leider auch nicht in einem zufriedenstellenden Maß, sind doch nahezu immer Mad Max-artige Biker-Gangs mit Lederjacken und buntem Irokesenhaarschnitt, manche davon in Rüstung oder mit überdurchschnittlicher Körperfülle, die beide zunächst durchbrochen werden müssen. Auch, wenn aus den Bikern irgendwann Toga-tragende Stadtmauerwachen werden, so ist das nichts weiter als ein optischer Skin – die muskelübersäten Hohlbirnen darunter bleiben dieselben und kämpfen identisch. Anders verhalten sich da schon die in regelmäßigen Abständen auftretenden Bosskämpfe, die nicht nur mit einer deutlich längeren Energieleiste daherkommen, sondern auch von Martial Artists über Revolverhelden bis hin zu tollwütigen, gigantischen Riesen alles dabei haben und bei denen es sogar erforderlich ist, weitere Gameplay-Mechaniken wie Blocken und Ausweichen einzusetzen.

Die Grafik

Auf den ersten Blick sieht Lost Paradise spitze aus – spätestens seit den Naruto-Games kommt für Anime-Adaptionen eigentlich keine andere Wahl als die cartoonartige Cellshading-Grafik in Frage. Die Umgebungen sind stimmungsvoll gestaltet und an den Charakteren entdeckt man viele liebevolle Details, gerade auch wenn Kenshiros Bizeps an der Kamera vorbeiflext. Dummerweise gibt es andere Bereiche, in denen man sich deutlich weniger Mühe gegeben hat. In Sachen Mimik und Gestik sind wir weit davon entfernt noch zeitgemäß zu sein und wenn ich die steifen Gesichter und mechanischen Bewegungen der Charaktere sehe, reißt es mich beinahe augenblicklich aus der Immersion des Spiels heraus. Besonders auffällig ist das zwar fast ausschließlich in den Zwischensequenzen, wenn wieder einmal eine Hand wie eine gelenklose Holzprothese wirkt, davon gibt es in Lost Paradise aber eine ganze Menge, da es ein sehr storylastiges Spiel ist, das auch vor zahlreichen Rückblenden nicht Halt macht.

Das Fazit

Meine erste Begegnung mit Fist of the North Star entpuppt sich tatsächlich als harter Kampf – und zwar zwischen den Pros und Contras. Die post-apokalyptische Geschichte in einer Welt voller unverkennbarem Mad Max-Flair spricht mich sehr an, ich fiebere bei Kenshiros Suche nach seiner Verlobten mit und habe aus Interesse noch in der ersten Spielwoche mit dem Lesen des Mangas begonnen – die auf der Yakuza-Serie basierenden Spielmechaniken hingegen animieren mich nicht gerade auch in diese Richtung meinen Horizont zu erweitern. Die Kämpfe reißen einen immer ein bisschen aus dem fast schon rollenspielähnlichen Gameplay heraus (es gibt einen Skill-Baum, eine begrenzte Open World, diverse Läden, viele optionale Dialogmöglichkeiten sowie Nebenaufgaben, ein Level-System) und dafür, dass der ganze Prozess mit seiner Einleitung immer ein wenig aufgebauscht wirkt, macht das eigentliche Kämpfen gar nicht so viel Spaß. Die simpel zusammenzusetzenden Kombos wirken alle sehr ähnlich (zumindest bis man sehr spät im Spielverlauf weitere Möglichkeiten freischaltet) und die blutigen Spezialattacken, die sich immer nur auf einen Gegner beschränken, entwickeln sich schnell eher zum zeitraubenden Störfaktor – auch wenn ich die von einem coolen Ansager ausgerufenen und ziemlich albern klingenden Namen der Techniken dabei liebe. Abwechslung bieten die zahlreichen Minispiele und Nebenaufgaben, von denen man nach einigen Spielstunden buchstäblich erschlagen wird. Kenshiro als Wüstenrennfahrer, als Barkeeper, als Arzt, als Club-Manager… meistens sind die Minigames sehr simpel gehalten, erfordern eine schnelle Tastenkombination, das Nutzen der Bewegungssteuerung oder ein kleines Rythmusspiel – in sich also nichts Anspruchsvolles oder Langzeitmotivierendes, als Element in der Masse und alberne Spielerei zwischen der ernsten Story ist das sehr willkommen.

Lost Paradise hat also definitiv seine Mängel, macht unterm Strich aber zweifelsohne Spaß und hat sehr viel zu bieten – nicht zuletzt eine ganze Menge Spielzeit für sein Geld.

Wir danken unserem Gastautor Thomas W. „LorD Avenger“ für diesen Test.

Wertung

7.9

Fazit

7.9/10
  Review
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22. Oktober 2018 0
1 Comment
  • Tom 5 Jahren ago

    Danke für den Test. Ich werde mir das Spiel wohl demnächst in einem Angebot zulegen. Schade, dass es das nicht für den PC gibt.

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