28. Januar 2020

Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging im Test (Nintendo Switch)

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Ryuta Kawashima ist ein japanischer Neurowissenschaftler und erlangte weltweite Bekanntheit durch die nach ihm benannte Nintendo-Software Gehirn-Jogging. Diese ist nun auch in ihrer neusten Form für die Nintendo Switch erhältlich.

Habt ihr euch schon mal vorgestellt, wie es wäre, 81 Jahre alt zu sein? Das ist lediglich wenige Jahre jünger als meine Großmutter und das in Betracht ziehend hält sich meine Vorfreude stark in Grenzen. Das hingegen stört die digitale Version von Dr. Kawashima nicht die Bohne, der mir nach kaum zehn Minuten mit seiner Software bereits an den scheinbar schwer verschrumpelten Kopf warf, dass mein geistiges Alter sich auf stolze 81 Jahre einpendelte.

2007 erstmals für den Nintendo DS erschienen kann man Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging wohl bereits annähernd als Urgestein des Unternehmens bezeichnen. Dennoch schrieb ich oben bewusst von einer Software und weniger von einem wirklichen Spiel, denn letzteres ist es zu 100% auf jeden Fall nicht. Zum einen ist das Gehirn-Jogging dafür ausgelegt, lediglich rund eine Viertelstunde am Tag damit zu verbringen (nutzt man die inkludierte Sudoku-Funktion verdoppelt sich die Zeit vielleicht auf eine halbe Stunde) und zum anderen wäre es wohl eine wacklige Grauzone die Frontallappen-Übungen als Minispiele zu bezeichnen. Sicher soll Gehirn-Jogging auch zu einem gewissen Grad unterhalten, in erster Linie hat es aber den Sinn die Leistungen des Gehirns anzukurbeln.

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Gameplay

Im selben Atemzug ist es natürlich irreführend von Gameplay zu sprechen, daher nennen wir es fortan lieber einfach Handhabung. Die Handhabung also untergliedert sich gleich nach Start der Software in das Freie Spiel und die Täglichen Übungen. Letztere sind das Herzstück des Gehirn-Joggings und sollen, wie der Name unschwer vermuten lässt, möglichst täglich durchgeführt werden. Unterstützung bietet dabei ein Kalender, in dem man seine Trainingstage abstempeln kann sowie eine optionale Erinnerungsfunktion, die anschlägt sofern sich die Switch-Konsole zumindest im Standby-Modus befindet.

Beim ersten Start führt der körperlose Polygonenkopf von Dr. Kawashima uns recht trocken aber leicht verständlich in die Ergebnisse der Neurowissenschaften ein und erklärt, welchem Zweck das Gehirn-Jogging dienen soll. Danach wird man ganz unvermittelt ins kalte Wasser geworfen und muss mit drei zufällig ausgewählten Übungen sein geistiges Alter bestimmen lassen (ihr erinnert euch – aus der Nummer bin ich nicht mehr ganz knackig herausgekommen). Diesen schweren Schlag erst einmal verkraftet, weiß man, dass man einiges an Arbeit vor sich hat. Entsprechend stürzt man sich sogleich auf die Kategorie der Täglichen Übungen, die anfänglich noch eine sehr spärliche Auswahl bietet. Mit regelmäßigem Training schaltet man im Verlauf von Wochen weitere Übungen zur Abwechslung frei.

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Eine der Übungen, die gleich von Beginn an verfügbar sind, ist zu meinem persönlichen Entsetzen Mathe-bezogen. So schnell wie möglich gilt es eine Reihe von simplen Rechenaufgaben zu lösen, bei denen man einstellige Ziffern addieren, subtrahieren oder multiplizieren soll. Das Ergebnis kann dann mithilfe des in der Retail-Version mitgelieferten Touch-Pens auf dem Bildschirm aufgeschrieben werden. Je nach Geschwindigkeit bietet die Übung Aufgaben für etwa eine Minute und im Anschluss daran wird das eigene Tempo dabei eingestuft. Zunächst zeigt eine kleine Animation an, wie gut man die Aufgabe bewältigt hat – vom Fußgänger, über Rad- und Autofahrer bis hin zu Schnellzug und Flugzeug symbolisiert die Fortbewegung die Qualität der dargebotenen Geschwindigkeit. Darauf folgend taucht wieder Dr. Kawashimas Kopf auf und bewertet die persönliche Leistung in einem Diagramm, das die vorherigen Ergebnisse in derselben Übung in Relation setzt. Verbessert man sich, entgleisen ihm auf lustige Weise sämtliche Gesichtszüge, hält man sein Niveau oder verschlechtert man sich sogar, dann bleibt er sachlich und motivierend. Auch eine Bestenliste wird angezeigt, wenn mehrere Benutzer auf derselben Konsole die Software anwenden.

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Zu den weiteren Übungen gehören beispielsweise das laute Vorlesen, bei dem man einen kurzen Zeitungsartikel zwei Mal so schnell wie möglich durchlesen soll oder das Piano-Spielen, bei dem man möglichst zügig die entsprechenden Tasten einer Klaviatur treffen sollte, um das dadurch ertönende Lied einigermaßen erkennen zu können. Besonders gerne nutzt die Software auch die Infrarot-Kamera des rechten Joy-Cons, von dessen Existenz ich bis dato nicht einmal wusste. So erkennen Kamera und Software beispielsweise die Handbewegungen, die man davor zum Besten gibt und in verschiedenen Übungen muss man entweder bestimmte Formen nachstellen, Schere-Stein-Papier spielen oder die Lösung von Rechenaufgaben mit den Fingern anzeigen. Zu meinen persönlichen Favoriten zählt zum einen die sogenannte „Doppelte Herausforderung“. Hier läuft im oberen Teil des Bildschirms ein Hürdenläufer, der vor jeder Hürde angetippt werden muss, während man in der unteren Hälfte gleichzeitig aus herumwirbelnden Zahlen die größte auszuwählen hat. Zum anderen bin ich großer Fan einer anspruchsvollen Erinnerungsübung, bei der man aus einer Vorgabe das Bild auswählen soll, das man auf der Seite zuvor gesehen hatte. Es ist immer wieder erstaunlich, wie das Gehirn funktioniert und noch erstaunlicher, wie schnell es einen im Stich lassen kann.

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Im freien Spiel lassen sich einige Übungen, wie die Fingerspielchen mit der Kamera z.B., sofort starten. Auch gibt es drei zusätzliche Herausforderungen, die man mit zwei Joy-Cons im Duell gegen einen anderen Spieler starten kann. Dabei muss man etwa die Anzahl der auf dem Bildschirm herumfliegenden Vögel richtig und möglichst schnell angeben oder die Nummer von Kisten, die teilweise nur für den Bruchteil einer Sekunde angezeigt werden oder blitzschnell über den Bildschirm fliegen.

Fazit

Wenn man kein tatsächliches, vollwertiges Videospiel erwartet, ist Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging schon eine schöne Sache. Die teilweise sehr einfachen Übungen führen einem gerade unter Zeitdruck hervorragend vor Augen, wie sehr unser Hirn über die Jahre einschläft – sicherlich auch dem verstärkten Einsatz von google und Handy-Taschenrechnern geschuldet. Wir müssen im täglichen Leben immer weniger nachdenken und landen, eher wir uns versehen, bei einem geistigen Alter von 81 Jahren. Nach rund zwei Wochen täglichem Training konnte ich mich immerhin bereits auf Ende 30 verjüngen, obgleich da immer noch eine signifikante Diskrepanz zu meinem tatsächlichen Alter vorherrscht, die ich gerne ebenfalls noch beseitigen würde. Das Schöne an der Software ist, dass man nicht nur über lange zeitliche Strecken mit neuen Übungen belohnt wird, sondern auch tatsächliche Fortschritte bemerkt. Sicherlich ist das auch irgendwo dem Umstand geschuldet, dass man bei den meisten Übungen dann irgendwann weiß, wo der Hase lang läuft, trotzdem gerät man immer wieder bei den einfachsten Aufgaben ins Stocken und muss sich einfach nur wundern.

Ein paar mehr spielerische Aspekte hätte ich mir aber doch gewünscht – gerade im Freien Spiel ist die Auswahl sehr spärlich und man hätte noch ein gutes Stück mehr Auswahl zum Duellieren mit Freunden einbauen können, sodass die Software auch über die etwa 15 Minuten am Tag hinaus zu nutzen wäre.

Ein weiteres besonders großes Manko ist die Schrifterkennung. Gerade bei den Rechenaufgaben möchte die Software, dass man die Zahlen für die Lösung nicht etwa eintippt, sondern mit dem Stift aufschreibt – gerade dadurch verliert man aber die meiste Zeit, denn häufig erkennt die Software nicht einmal die eindeutigsten Zahlen. Teilweise musste ich eine 8 fünf Mal neu schreiben, bevor nicht etwa eine 5 oder eine 3 oder überhaupt irgendetwas erkannt wurde. Ähnliche Probleme gibt es auch mit 5, der 1 und ganz besonders der 4.

Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging

7.3

Wertung

7.3/10
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