19. Februar 2019

Jump Force

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Das Weekly Shonen Jump-Magazin ist eine Legende unter sämtlichen Manga-Fans. Die in Japan veröffentlichte Zeitung ist der Ursprung zahlreicher der erfolgreichsten Mangas aller Zeiten. Zum 20-jährigen Jubiläum von Weekly Shonen Jump erschien 1988 bereits ein Crossover-Videospiel namens Famicom Jump: Hero Retsuden und auch zum 50-Jährigen ließ man sich eine Zelebration in Videospielform nicht nehmen.

Die Geschichte

…ist schnell erzählt. Wie in den meisten Crossover-Games (abgesehen vielleicht von Kingdom Hearts, die den Vogel dahingehend abschießen) gibt man sich hierbei nicht viel Mühe und lässt in erster Linie die Fan-Liebe für die verschiedenen Franchises für sich arbeiten. Unsere reale Welt kollidiert mit den Shonen Jump-Universen, woraufhin sich die sogenannten Venoms ausbreiten – einer Gehirnwäsche unterzogenen Menschen und Bösewichte. Unter der Führung von Director Glover finden sich in der Organisation Jump Force die stärksten Helden aller Welten zusammen, um sich der Gefahr zu stellen. Bei einem Angriff von Freezer (Dragonball Z) auf New York City wird im Kampf gegen Son-Goku ein Mensch lebensgefährlich verletzt, der sich als Protagonist herausstellt. Um sein Leben zu retten pflanzt Trunks (ebenfalls Dragonball Z) ihm einen Umbras-Würfel ein – dasselbe mysteriöse Werkzeug, das auch den Venoms ihre Kraft verleiht. Davon gestärkt erholt der Protagonist sich und entwickelt übermenschliche Kräfte, die ihn an der Seite der anderen Helden in der Jump Force kämpfen lässt.

Die Charaktere

Highlight des Spiels ist zweifelsohne das Zusammentreffen der insgesamt 42 spielbaren Charaktere aus 16 verschiedenen Manga-Serien. Auch wenn einige davon speziell in Deutschland wahrscheinlich nur Hardcore-Otakus vertraut sein dürften, sind die ganz großen Namen selbstverständlich mit von der Partie. Dragonball, One Piece und Naruto präsentieren sich bereits prominent auf dem Cover des Spiels und schicken die meisten Kämpfer ins Rennen, obgleich die Auswahl von maximal sechs Figuren pro Reihe doch stellenweise fragwürdig erscheint (wahrscheinlich haben hier die aus dem Shonen Jump-Magazin bekannten Beliebtheitsumfragen eine Rolle gespielt). Auch der vierte große Name Bleach stellt vier Charaktere, obgleich der Manga bereits 2016 abgeschlossen wurde. Weiterhin sind Franchises wie Black Clover, City Hunter, Dragon Quest, Fist of the North Star, Hunter x Hunter, JoJo’s Bizarre Adventure, My Hero Academia, Rurouni Kenshin, Saint Seiya, Yu-Gi-Oh! sowie Yu Yu Hakusho vertreten. Bereits im Trailer ließen auch Light und Ryuk aus Death Note Fan-Herzen höherschlagen, die beiden sind allerdings nicht spielbar und dienen lediglich als mysteriöses und undurchsichtiges Story-Element. Vier Charaktere wurden extra fürs Spiel vom Dragonball-Schöpfer Akira Toriyama entwickelt, zwei davon sind spielbar.

Das Gameplay

2015 bekamen wir es bereits mit dem Vorgänger J-Stars Victory VS+zu tun, in dem sich sogar 52 Charaktere aus insgesamt 32 verschiedenen Manga-Franchises tummelten – davon abgesehen hat man aber wieder gehörig viel geändert. Zum einen läuft man nun nicht mehr mit einem ganzen Team durch ein verhältnismäßig großes Level, in dem mehrere Figuren sich gleichzeitig bekriegen, sondern man bewegt sich erheblich mehr in Richtung eines handelsüblichen Beat em Ups. Zwar zieht man weiterhin mit einem Team in den Kampf, allerdings bleiben die Kämpfe strikt auf 1-gegen-1 beschränkt und man kann lediglich zwischen seinen Kameraden hin und her wechseln – Energie- und Spezialangriffsleisten werden allerdings von sämtlichen Kämpfern geteilt.

Im Kampf selbst dann hat man eine anfänglich sehr simpel erscheinenden Mechanik, die innerhalb der ersten Spielstunde aber bereits vollkommen unübersichtlich überladen wird. Neben zwei Knöpfen für leichte und schwere Angriffe, die man entweder in Kombos aneinanderketten oder für stärkere Angriffe aufladen kann, gibt es auch noch Tasten zum Blocken, zum Ausweichen, zum Auf-den-Gegner-zurauschen, das Drücken des rechten Sticks aktiviert den Awaken-Modus, der je nach Füllgrad der entsprechenden Leiste auch der vollständige Awaken-Modus sein kann, mit diversen Tastenkombinationen kann man Spezialangriffe ausführen, mit einer anderen Kombination noch den ultimativen Spezialangriff, während weitere Tasten dafür verwendet werden, den Charakter innerhalb des Teams zu wechseln oder ihn lediglich für eine Support-Attacke heraufzubeschwören. Für alles gibt es ein kurzes Tutorial, aber es ist schlichtweg zu viel! Womöglich bin ich einfach schon zu alt für sowas oder meine fehlende Affinität für Beat em Ups spielt hier mit rein, aber ich müsste mir eigentlich alle Moves aus der Liste im Pausemenü abschreiben, neben den Fernseher hängen und während des Kampfes immer mal wieder drauf lünkern, um auch nur die Hälfte der verfügbaren Fähigkeiten in den beabsichtigten Augenblicken einzusetzen. Die ersten 20 Kämpfe lang funktioniert es zwar noch relativ gut mit dem typischen Button-Smashing, das einen auch in Tekken relativ weit bringt, aber bereits beim zweiten Boss-Kampf wird man damit hoffnungslos verzweifeln.

Außerhalb des Kampfes landet man im (zu) riesigen, frei begehbaren Jump Force-Hauptquartier, in dem zahlreiche Möglichkeiten für Online-Kämpfe zur Verfügung stehen (PS+-Abonnement erforderlich), Shops, in denen man Kampf-Fähigkeiten und Kleidung kaufen kann sowie Theken, an denen sich Missionen annehmen lassen, sollten diese nicht direkt von den auf der Karte verteilten Hauptcharakteren vergeben werden.

Das Fazit

Das Spiel beginnt vielversprechend mit einem Charaktereditor für den Protagonisten, was gefühlt seit der Dragonball Xenoblade-Serie Standard für Anime-Beat em Ups geworden ist. Aus einer Vielzahl von Frisuren, von denen man einige als Manga-Fan sicher wiedererkennen wird, Augen, Narben, Gesichtsformen und mehr kann man seine Kämpferin oder seinen Kämpfer zusammenstellen, der dann – wie in japanischen Spielen mit selbst erstelltem Charakter üblich – stumm und facettenlos durch die Handlung wandert. Einen Dämpfer verpasst einem hier und auch durch das gesamte Spiel hinweg jedoch der Grafikstil. Während die anfängliche Intro-Sequenz mit ihrer Umgebungsdarstellung am post-apokalyptischen Times Square äußerst beeindruckt mit der Qualität der Animationen und damit sogar an den grandiosen Pokémon Go-Trailer während der Super Bowl-Halbzeit-Show 2016 erinnert, enttäuschen die Charaktere selbst ziemlich. Während wir in J-Stars Victory VS+ noch überzeugende 3D-Modelle von sämtlichen Figuren vorgelegt bekommen haben, erscheinen alle Kämpfer hier sehr klumpig und detailarm, sämtliche Augen und Gesichter insgesamt strotzen nur so vor Leblosigkeit. Selbst Ryuk ist in dem japanischen Live Action-Film Death Note von 2006 (!) erheblich besser animiert gewesen und wirkte lebensechter als die gruselige Wachsfigur in Jump Force.

Wie schon erwähnt, sind die Funktionen im Kampfmodus vollkommen überladen und so unübersichtlich, dass man sie sich kaum alle merken, geschweige denn im hektischen Kampfgeschehen abrufen kann. Selbst die mächtigsten Superattacken können ganz einfach geblockt werden, was oftmals sehr frustrierend ist und wenn man erst mal in einer Kombo gefangen ist, kommt man auch so gut wie nicht mehr hinaus und muss sich erst einmal einige Sekunden gedulden, bis das Massaker vorbei ist. Wenn so eine Kombo von statten geht, würde ich das Spiel am liebsten in Jump Cut umtaufen – das rasante hin und her teleportieren mit schnellen Schnitten muss der Alptraum für jeden Epileptiker sein. Die Charaktere sind alle mit ihren eigenen Angriffen ausgestattet, spielen sich allerdings weitestgehend identisch – wenn ich im eigenen Team wechsle, dann geht es lediglich um Optik oder Sympathie, einen Unterschied im Kampf macht es nie. Auch steigt der Schwierigkeitsgrad gehörig an, sodass ich bereits nach gut einer bis anderthalb Stunde vor dem zweiten (!) Boss im ersten Kapitel festsaß, der in drei Runden unaufhörlich angreift und mich nach mehr als 10 aufeinanderfolgenden, erfolglosen Versuchen so aggressiv gemacht hat, dass der Controller beinahe in die Mattscheibe geflogen wäre. Eine intelligente Funktion das Spiel oder zumindest den Kampf nach so vielen Fehlversuchen leichter zu machen, wie es in vielen Spielen der Fall ist, gibt es hier nicht – meiner Meinung nach verheerend, da Jump Force auch lediglich den Story-Modus anbietet und das Spiel wertlos wird, wenn man irgendwann nicht weiterkommt.

Größtes Manko am Game sind aber definitiv die Ladezeiten – hier kann man definitiv nirgendwo von Jumpen sprechen, außer vom Gefühl aus Frustration aus dem Fenster springen zu wollen. Zwischen jeder Zwischensequenz, vor und nach jedem Kampf, selbst beim Aufrufen des Shops oder des Charakter-Anpassungsmenüs erwarten einen die Wartezeiten des Todes, die nicht nur häufiger auftreten als Kämpfe im Spiel, sondern in der Regel auch noch länger dauern.

Speziell im Vergleich zum geistigen Vorgänger J-Stars Victory VS+, das selbst schon viele Schwächen hatte, ist Jump Force eine herbe Enttäuschung. Das interessante Kampfgeschehen mit mehreren Figuren in einer großen, verwinkelten und zerstörbaren Umgebung wird eingetauscht gegen das öde Standard-Beat em Up-Gehabe mit 1-gegen-1 Kämpfen in übersichtlichen, leeren Arenen und die Charaktermodelle sehen aus wie schreckliche, leblose Wachsfiguren – auch wenn sie immerhin, sofern ich das beurteilen kann, ihre originalen japanischen Sprecher zugeordnet bekommen haben. Hinzu kommt, dass die Geschichte so dünn ist, dass selbst andere eher uninspirierte Crossover-Spiele wie Project X Zone den Pulitzer-Preis verdient hätten. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte man mit einem solchen Staraufgebot doch gefälligst etwas Vernünftiges hinzaubern – entweder ein spaßiges, simples Gameplay mit unzähligen Gegnern zum Reinholzen wie in der One Piece Pirate Warriors-Reihe oder tatsächlich ein anspruchsvolleres Rollenspiel mit fesselnder, ernstzunehmender Geschichte in Richtung eines Kingdom Hearts. Unterm Strich ist in Jump Force in dieser Form leider einzig die Aufzählung der enthaltenen Charaktere positiv zu bewerten – und selbst die ist im Vergleich zu J-Stars Victory VS+ gehörig heruntergestuft worden.

Wertung

4.9

Wertung

4.9/10
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