Das Fazit
Das Spiel beginnt vielversprechend mit einem Charaktereditor für den Protagonisten, was gefühlt seit der Dragonball Xenoblade-Serie Standard für Anime-Beat em Ups geworden ist. Aus einer Vielzahl von Frisuren, von denen man einige als Manga-Fan sicher wiedererkennen wird, Augen, Narben, Gesichtsformen und mehr kann man seine Kämpferin oder seinen Kämpfer zusammenstellen, der dann – wie in japanischen Spielen mit selbst erstelltem Charakter üblich – stumm und facettenlos durch die Handlung wandert. Einen Dämpfer verpasst einem hier und auch durch das gesamte Spiel hinweg jedoch der Grafikstil. Während die anfängliche Intro-Sequenz mit ihrer Umgebungsdarstellung am post-apokalyptischen Times Square äußerst beeindruckt mit der Qualität der Animationen und damit sogar an den grandiosen Pokémon Go-Trailer während der Super Bowl-Halbzeit-Show 2016 erinnert, enttäuschen die Charaktere selbst ziemlich. Während wir in J-Stars Victory VS+ noch überzeugende 3D-Modelle von sämtlichen Figuren vorgelegt bekommen haben, erscheinen alle Kämpfer hier sehr klumpig und detailarm, sämtliche Augen und Gesichter insgesamt strotzen nur so vor Leblosigkeit. Selbst Ryuk ist in dem japanischen Live Action-Film Death Note von 2006 (!) erheblich besser animiert gewesen und wirkte lebensechter als die gruselige Wachsfigur in Jump Force.
Wie schon erwähnt, sind die Funktionen im Kampfmodus vollkommen überladen und so unübersichtlich, dass man sie sich kaum alle merken, geschweige denn im hektischen Kampfgeschehen abrufen kann. Selbst die mächtigsten Superattacken können ganz einfach geblockt werden, was oftmals sehr frustrierend ist und wenn man erst mal in einer Kombo gefangen ist, kommt man auch so gut wie nicht mehr hinaus und muss sich erst einmal einige Sekunden gedulden, bis das Massaker vorbei ist. Wenn so eine Kombo von statten geht, würde ich das Spiel am liebsten in Jump Cut umtaufen – das rasante hin und her teleportieren mit schnellen Schnitten muss der Alptraum für jeden Epileptiker sein. Die Charaktere sind alle mit ihren eigenen Angriffen ausgestattet, spielen sich allerdings weitestgehend identisch – wenn ich im eigenen Team wechsle, dann geht es lediglich um Optik oder Sympathie, einen Unterschied im Kampf macht es nie. Auch steigt der Schwierigkeitsgrad gehörig an, sodass ich bereits nach gut einer bis anderthalb Stunde vor dem zweiten (!) Boss im ersten Kapitel festsaß, der in drei Runden unaufhörlich angreift und mich nach mehr als 10 aufeinanderfolgenden, erfolglosen Versuchen so aggressiv gemacht hat, dass der Controller beinahe in die Mattscheibe geflogen wäre. Eine intelligente Funktion das Spiel oder zumindest den Kampf nach so vielen Fehlversuchen leichter zu machen, wie es in vielen Spielen der Fall ist, gibt es hier nicht – meiner Meinung nach verheerend, da Jump Force auch lediglich den Story-Modus anbietet und das Spiel wertlos wird, wenn man irgendwann nicht weiterkommt.
Größtes Manko am Game sind aber definitiv die Ladezeiten – hier kann man definitiv nirgendwo von Jumpen sprechen, außer vom Gefühl aus Frustration aus dem Fenster springen zu wollen. Zwischen jeder Zwischensequenz, vor und nach jedem Kampf, selbst beim Aufrufen des Shops oder des Charakter-Anpassungsmenüs erwarten einen die Wartezeiten des Todes, die nicht nur häufiger auftreten als Kämpfe im Spiel, sondern in der Regel auch noch länger dauern.
Speziell im Vergleich zum geistigen Vorgänger J-Stars Victory VS+, das selbst schon viele Schwächen hatte, ist Jump Force eine herbe Enttäuschung. Das interessante Kampfgeschehen mit mehreren Figuren in einer großen, verwinkelten und zerstörbaren Umgebung wird eingetauscht gegen das öde Standard-Beat em Up-Gehabe mit 1-gegen-1 Kämpfen in übersichtlichen, leeren Arenen und die Charaktermodelle sehen aus wie schreckliche, leblose Wachsfiguren – auch wenn sie immerhin, sofern ich das beurteilen kann, ihre originalen japanischen Sprecher zugeordnet bekommen haben. Hinzu kommt, dass die Geschichte so dünn ist, dass selbst andere eher uninspirierte Crossover-Spiele wie Project X Zone den Pulitzer-Preis verdient hätten. Meiner bescheidenen Meinung nach sollte man mit einem solchen Staraufgebot doch gefälligst etwas Vernünftiges hinzaubern – entweder ein spaßiges, simples Gameplay mit unzähligen Gegnern zum Reinholzen wie in der One Piece Pirate Warriors-Reihe oder tatsächlich ein anspruchsvolleres Rollenspiel mit fesselnder, ernstzunehmender Geschichte in Richtung eines Kingdom Hearts. Unterm Strich ist in Jump Force in dieser Form leider einzig die Aufzählung der enthaltenen Charaktere positiv zu bewerten – und selbst die ist im Vergleich zu J-Stars Victory VS+ gehörig heruntergestuft worden.