Einst standen Indie-Games für unabhängige, kreative und fantasievolle Arbeiten abseits des kommerziellen Mainstreams. Mittlerweile haben sie sich jedoch zu einer Marke gemausert, die ebenso inflationär vertrieben- und über die gängigen Plattformen beworben wird. Dass einige dieser Titel innerhalb des umfangreichen Angebotsdschungels ziemlich farblos wirken, ist abzusehen. Hehe, farblos…verstehst du? Ja, ich gebe es zu: Die ersten drei Sätze dieses Reviews dienten hauptsächlich für eine schlechte Überleitung zum Spiel Monochroma. Dieser mit 80.000 $ per Kickstarter finanzierte Puzzle-Plattformer stammt von den Nowhere Studios, einem Entwicklerteam aus Istanbul, und während du dich jetzt fragst, ob es sich dabei nur um einen lieblos zusammengekloppten Limbo-Klon handelt, kann ich auf die folgenden Zeilen verweisen. Ich hab das Teil nämlich durchgespielt.

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Im Huckepack durch die finstre Nacht

Monochroma spielt in einem düsteren, alternativen und vor allem industrialisierten Setting, welches in den 50er Jahren angesiedelt ist. Dementsprechend präsentiert sich das komplette Design lediglich in nebligen Grautönen, inklusive einem knalligen Rot, analog zu Frank Millers Sin City. Du schlüpfst in die Rolle eines nicht näher vorgestellten, kleinen Jungen, der sich mittels eines 2D-Plattformer-Gameplays seinen Weg durch die triste 3D-Kulisse bahnt. Die Fähigkeiten dieses Kerlchens beschränken sich auf die üblichen Verdächtigen des Plattformer-Genres. Vom Springen, über das Erklimmen von Vorsprüngen und Bewegen von Hindernissen, bis hin zum Schwingen an Seilen ist alles dabei, was kleine Jungs halt gut können. Um voranzukommen gilt es einen soliden Mix aus Schalt- und Schieberätseln in Kombination mit Kettenreaktionen oder Geschicklichkeitseinlagen zu meistern. Damit dies nicht zu einfach wird, bekommt unser Springinsfeld einen kleinen Störfaktor in Form seines kleinen Bruders spendiert. Kurz nach Beginn des Spiels musst du nicht nur auf diesen aufpassen, sondern auch mitschleppen. Mittels Tastendruck nehmt ihr den kleinen Plagegeist huckepack auf den Rücken. Diese körperliche Einschränkung spiegelt sich hauptsächlich in einer reduzierten Sprunghöhe wieder. Du hast zwar die Möglichkeit den kiloschweren Wonneproppen temporär abzulegen – und zwar nur innerhalb von Lichtkegeln, da er sich im Dunkeln fürchtet – aber weiter geht’s nur mit dem Brüderchen im Schlepptau. Trotz der familiären Einschränkung bleibt die Herausforderung auf der Strecke. Monochroma hält sich innerhalb des Leveldesigns an blutige Standards, die nur selten die grauen Zellen beanspruchen und clever wirken. Zugegeben: Das Spiel bekommt dadurch einen guten Flow und vermeidet Frustmomente, mindert jedoch Motivation und Erfolgserlebnisse in Punkto Gameplay. Hinzu kommen noch technische Mängel in der Steuerung und der Physikengine, die sich selbst für eine unrealistische Darstellung ziemlich zäh und schwammig anfühlt. Grundsätzlich können derartige Faktoren in Indie-Spielen mit einem Augenzwinkern akzeptiert werden, sofern das Lösen der Rätsel nicht darunter leidet. In diesem Fall gibt es Momente in denen dieser Umstand den Geduldsfaden stark beansprucht. Gleiches gilt für „Try and Error“-Passagen, die jedoch dezent verteilt wurden.

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Die Kulisse erzählt die Geschichte

Zu Beginn des Spiels ist es schwer eine Handlung auszumachen. Immerhin sollte ein Junge, der nicht nur sein eigenes Leben, sondern auf das Leben seines kleinen Bruders gefährdet, eine gewisse Motivation besitzen, die ein derartiges Abenteuer rechtfertigt. So gesehen wirst Du mindestens bis zur Hälfte des Spiels im Dunkeln tappen. Natürlich lädt die bedrückende Atmosphäre aus bewölkter Umgebung und mysteriöser Musik zum Erforschen ein, und auch die ständig wechselnden Hintergründe erledigen ihren Job, den neugierigen Spieler bei Laune zu halten, aber der Einstieg bleibt mühselig und die Spannungskurve flach. Du solltest in der Lage sein ein Spiel einfach mal auf Dich wirken zu lassen, und selbst das schafft Monochroma nur mit Biegen und Brechen, denn die technischen Mängel in Animationen, Physik und Kollisionsabfragen stechen immer wieder ins Auge und reduzieren den stimmungsvoll inszenierten Hürdenlauf auf ein gewöhnliches Videospiel. Doch wo Geduld geübt wird, wartet die Belohnung. Im Laufe des Spiels erkennst du das eigentliche Problem dieser geheimnisvollen Welt. Ein großer Konzern, der sich hauptsächlich auf die Herstellung von Robotern spezialisiert hat, demonstriert seine Machtposition innerhalb der Kulisse durch Werbetafeln, Fahnen und große Fabrikgebäude und zeichnet einen Weg aus Kapitalismus und Unterdrückung. Als die beiden Brüder hinter die Fassade blicken, entdecken sie die schaurige Wahrheit und werden selbst zum Ziel der Mittelsmänner. Das ist der Punkt an dem das Spiel es schafft sich über die eigenen Fehler zu erheben und ohne jegliche Dialoge und Zwischensequenzen eine inszenierte Verschwörung und Verfolgung darzustellen, die den Spieler durchaus fesseln kann, sei es auch nur im letzten Drittel der Kampagne. Trotz der veralteten Grafik auf dem Niveau der vorletzten Konsolengeneration überzeugen die Schauplätze vollkommen und bieten zusammen mit der musikalischen Inszenierung die Stärke, der insgesamt 6 Stunden langen Odyssee, die sich jedoch stets gegen die Mängel behaupten muss.

 

Fazit

Monochroma ist ein Spiel, welches sich selbst in einem ständigen, inneren Tauziehen befindet. Künstlich in der Steuerung, langweilig im Anspruch, zäh in der Spannung und überzeugend in der Inszenierung. So drückt sich das Konzept leider trotz des hohen Potentials in ein durchschnittliches Spielvergnügen für Zwischendurch, mit einem Lichtblick gegen Ende. Die Wurzeln dieser Idee und der Wille mit dieser Inspiration etwas Neues zu schaffen sind klar erkennbar, aber leider verfehlt Monochroma letztendlich die Fußstapfen der etablierten Vorbilder, was jegliche Innovation und Lichtblicke ausbremst. Was bleibt ist ein netter Lückenfüller, mehr aber auch nicht. Schade…

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3. Juli 2014 0
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