Fazit
Als riesiger One Piece-Fan habe ich mich natürlich auf das erste Open World (Seeker)-Spiel des Franchises gefreut und auch wenn ich erfahrungsgemäß meine Erwartungen herunterschraubte, schwangen doch sehr viele Hoffnungen mit endlich ein wirklich würdiges Videospiel zur Serie zu bekommen. Kurzum: Das ist es nicht geworden. Das ganze Spiel über bekommt man den Eindruck, dass die Entwickler sich gehörig beeilt haben, dass man bei der Deadline kein wirklich gutes Spiel abliefern sollte, sondern lediglich eins, das weitestgehend der Grundidee entsprach. Grundsätzlich ist es nämlich kein schlechtes Spiel und es hätte sicher viel Potenzial gehabt, aber man ließ es leider zu einem ebenfalls nicht wirklich guten Spiel verkommen. Beginnen wir damit, dass es das wahrscheinlich allererste One Piece-Spiel in meinem Besitz ist, dass man ausschließlich mit Ruffy spielen kann. Ich mag den quirligen Gummimenschen sehr gerne, aber er ist weit davon entfernt mein Lieblingscharakter zu sein und in vergangenen One Piece-Spielen war es immer ein Highlight auch mal mit Lorenor Zorro spielen zu können oder sogar mit Kämpfern, die ansonsten lediglich als Antagonisten auftreten. Selbst nach Beenden des Spiels kann man keine derartige Bonusfunktion freischalten. Überhaupt taucht nur eine sehr überschaubare Auswahl an Charakteren aus der Serie auf, obgleich man sich viel Mühe damit gegeben hat deren Auftauchen plausibler erscheinen zu lassen als beispielsweise in der Unlimited Cruise-Serie, in der merkwürdige Pflanzen ausnahmslos jeden Gegenspieler klonen konnten.
Speziell für das Spiel wurde der Hauptantagonist erschaffen und seine hübsche, aber etwas langweilige Schwester Jeanne, die nahezu in jeder Mission irgendwie involviert ist. Aber das war’s auch schon. Zwar gibt es noch eine ganze Reihe von NPCs, die aber gefühlt in nur 10 verschiedenen Charaktermodellen wechseln, allenfalls in verschiedenen Kolorierungen und so bekommt man es in derselben Mission schon mal mit dem vollkommen identischen dicken Mann zu tun, der nicht das Geringste mit dem anderen zu tun hat und am anderen Ende der Karte auftaucht. „Am anderen Ende der Karte“ ist ebenfalls ein gutes Stichwort: Wie es sonst nur für einfallslose Rollenspiele der Fall ist, schicken die Missionen einen in der Regel nur sinnlos hin und her über die ganze Insel und dann wieder zurück, üblicherweise mit einem bescheuerten Botengang. Abgesehen vom Einbruch in ein überflutetes Gefängnis, in dem man etagenweise das Wasser ablaufen lassen musste, gab es keine einzige wirkliche kreative oder spaßige Mission – und dasselbe gilt für die Bosskämpfe. Durch das äußerst simple Kampfsystem hat man kaum mehr Möglichkeiten als einfach wild drauf loszuhämmern und – nur wenn es ganz anspruchsvoll wird – im richtigen Augenblick der Gegenwehr zu blocken oder auszuweichen, womit man eine Art Bullet Time auslöst, in der für wenige Sekunden die Zeit verlangsamt wird. Da macht es keinen Unterschied, ob man auf einen Marine-Admiral oder einen ehemaligen Samurai der Meere trifft – wirklich spannender werden die Kämpfe dadurch nicht. Auch der finale Bosskampf ist weit mehr nervig als alles andere. Davon abgesehen sehen die Kampfbewegungen auch ein wenig so aus als müsste daran noch der letzte Feinschliff vollzogen werden. Wenn ich hier wieder mit Pirate Warriors 3 vergleiche, hatte man Dutzende verschiedene Kämpfer mit je zig individuellen Angriffen, die nicht nur alle gut aussahen und Spaß machten, sondern auch ausgesprochen flüssig liefen.
Ich habe in meinem Spieldurchlauf sehr viel auf dem Weg aufgesammelt und die meisten der 200 Truhen aufgespürt, einige der 100 Nebenmissionen absolviert und war nach unter 15 Stunden mit dem Spiel durch. Würde man sich ausschließlich auf die Hauptmissionen konzentrieren, könnte man das Spiel in deutlich unter 10 Stunden bewältigen – auch abhängig vom gewählten Schwierigkeitsgrad. Durch die Einfallslosigkeit der Nebenmissionen und die teilweise sehr schwer erreichbaren Truhen lässt die Motivation nach Spielende auch schlagartig nach, sofern man sich denn überhaupt je dazu durchringen kann.
Unterm Strich fühlt sich das Spiel also irgendwie unfertig an, obwohl technisch alles durchaus funktioniert. Mit dem Aspekt „erstes Open World-Spiel im Franchise“ kann man ebenso gut werben wie mit der Involvierung von One Piece-Schöpfer Eiichiro Oda, aber wenn man keine spannende Geschichte mit coolen neuen Charakteren auf die Beine stellt und auch offenkundig nicht weiß, was man mit der weitläufigen offenen Spielwelt anfangen soll, dann ist das leider auch nichts wert. Zwar laufen in den Städten ein paar NPCs rum, die wie schon erwähnt alle gleich aussehen, nie aber wirklich so viele, dass es glaubhaft wäre – oder klingt es plausibel, dass eine große Stadt mit lauter Wolkenkratzern nicht mehr als ein halbes Dutzend Leute auf dem Marktplatz aufweist. Auch gibt es, soweit ich mich erinnere, kein einziges Tier im Spiel. Kein Häschen, das über die zahlreichen Wiesen hoppelt, kein Vogel, der über was Meer oder über die Berge fliegt. Obwohl man immer wieder auf virtuelles Leben stößt, wirkt trotzdem alles tot – einfach nur so als hätte ein Entwickler diesen Marinesoldaten genau dort mit seiner Maus abgesetzt.
Als treuer One Piece-Fan hatte ich trotzdem einen gewissen Grad an Spaß an World Seeker, aber gerade hinsichtlich der unzähligen verpassten Möglichkeiten bin ich unterm Strich doch ziemlich enttäuscht und auch ziemlich sicher, dass Nicht-One Piece-Fans viel schneller und viel verheerender urteilen würden. Ausgesprochen schade drum.