Die Symbiose aus Videospiel und Film ist ein Thema, welches sich im ständigen Wandel befindet und regelmäßig neue, innovative Ideen zustande bringt, auf der Suche nach dem perfekten Mischverhältnis. Die Stories innerhalb von Spielen rücken immer mehr in der Vordergrund, und somit variieren auch die Möglichkeiten diese zu erzählen. Ein neuer Versuch für diese Gradwanderung kommt ausgerechnet aus der National Film and Television School in Großbritannien. Bojan Brbora konzipierte dort ein experimentelles Projekt, welches er letztendlich zu einem vollständigen Produkt ausbaute. Die Idee sprach sich herum und landete am 9. Juli 2014 per Steam-Greenlight in der Angebotspalette. 4PM heißt das Kunstwerk und stellt sich selbst als kurzes, interaktives Drama dar, als cineastische Erfahrung fernab von stereotypischem Gameplay. Nun denn! Dann wollen wir das Ding mal unter die Lupe nehmen!

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Caroline Wells ist fertig mit der Welt. Zugegeben: Eine durchzechte Nacht mit Filmriss und heftigen Kopfschmerzen am Morgen gehört zu jeder gesunden Jugend dazu. Wenn jedoch der Anrufbeantworter die Nachricht eines wütenden Chefs beinhaltet, der sich über wiederholte, mangelnde Pünktlichkeit beschwert, sollte man in Erwägung ziehen es zumindest unter der Woche nicht zu übertreiben. Der Verdacht liegt nahe, dass Caroline ein grundsätzliches Problem mit dem guten, alten Feuerwasser hat, und sich dieses Problem bereits negativ auf ihren Alltag auswirkt. Mit dieser Prämisse wirst Du Teil einer Momentaufnahme aus dem Leben von Caroline und begleitest sie unter schnellen Szenenwechseln durch ihren Alltag.

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4PM macht seine Ankündigung wahr und präsentiert sich überwiegend als cineastisches Erlebnis. Du wirst ziemlich abrupt in die Ich-Perspektive von Caroline geworfen und hast zunächst keine Ahnung, was dich überhaupt erwartet. Erst durch die Inszenierung der Umgebung läuft die Geschichte vorwärts. Du hast nur begrenzte Möglichkeiten im Erkunden der Schauplätze, wobei dichSymbole auf Interaktionsmöglichkeiten hinweisen. Es ist jedoch klar erkennbar, dass 4PM einen Plan verfolgt und dich gezielt zu entsprechenden Aktionen lenkt, welche die Handlung vorantreiben. Der ganze Leitfaden verläuft intuitiv. Interessant ist hierbei die Verwendung von sporadischen Szenenwechseln, wie sie eben in Filmen üblich sind. So gesehen verfolgst du Caroline nicht auf Schritt und Tritt, sondern erlebst nur unterschiedliche Situationen innerhalb einer cineastischen Inszenierung, die jedoch interaktiv aus der Ich-Perspektive wahrgenommen wird. Das Wissen der Hauptfigur verhält sich ungleich zu deinem Wissen, so dass du immer einen Moment brauchst, um dir die Situation zu erklären. Die Handlung läuft natürlich auf ein Ende hinaus, welche alle vorhandenen Szenen zu einem Ganzen zusammensetzt und erklärt. Schade ist, dass die Geschichte zwar begehbar ist, aber grundsätzlich nicht beeinflusst werden kann. Das ist vor allem bei spielerischen Aufgaben inkonsequent, die bei einem Scheitern wiederholt werden müssen.

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Das größte Problem an diesem Projekt ist eindeutig die Spielzeit. Für knapp 4 Euro bekommt ihr ungefähr 20 Minuten Filmvergnügen, also viel zu wenig um Atmosphäre und Charakterbindung aufzubauen. Es fühlt sich letztendlich mehr wie eine Demo an, die mal so eben kurz neue narrative Gestaltungsmöglichkeiten in Videospielen zeigt. Das ist ziemlich schade, weil das Design der Schauplätze durchaus authentisch ist, obwohl sie nicht in Highend-Grafik präsentiert wird. Durch diverse Blur- und Filtereffekte entsteht eine ansprechende Kulisse, was man von den Darstellern leider nicht behaupten kann. Diese wirken entgegen der Dramatik doch etwas altbacken, steif und daher auch nicht emotional überzeugend, was wahrscheinlich der Grund war sich überwiegend für die Ich-Perspektive zu entscheiden. Die Story an sich inklusive der Auflösung ist ebenfalls nichts Besonderes. Das Endergebnis hab ich zwar nicht kommen gesehen, aber es gab auch keinerlei Hinweise innerhalb der Handlung, die eine logische Verkettung liefern. So gesehen verhungert 4PM am eigenen Potential.

Vielen Dank an Gastautor Fabian Anderer (Rainer Schauder) für diesen Test!

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Destiny

21. Juli 2014 0
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